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Madame Bovary: alter Skandal neu inszeniert

Lara Brandi, Marco Lo Presti, Frauen
Lara Brandi, Marco Lo Presti, Frauen

Madame Bovary, ein Tanzstück in den Innsbrucker Kammerspielen, inszeniert von Enrique Gasa Valga nach dem gleichnamigen Roman von Gustave Flaubert. Die letzte Premiere unter der Regie von Gasa Valga – ein von Kulturliebhaber*Innen gepriesener Direktor der Tanzcompany Innsbruck. Sein Vertrag in Innsbruck wird nicht verlängert, obwohl seine Fans in fast panischen Ausbrüchen Petitionen unterschreiben. Doch er schafft mit dieser Inszenierung einen würdigen Abschied, denn alle Vorstellungen bis einschließlich der finalen am 09.07.2023 waren schon lange vor der Premiere ausverkauft. 

Emma Bovary, eine Dame, wie sie das 19. Jhd. in unserer Vorstellung wohl gut widerspiegelt: belesen, doch gefangen in einer von Männern dominierten Welt. Ihre Fantasie sucht das Glück in Erwartungen der Zukunft und weil der Körper nicht darf, will es der Geist umso mehr. Sie findet das Abenteuer außerhalb der Ehe, in den Armen von klischeehaft starken Männern. Ihr Gatte wartet voller Vertrauen in ihrem gemeinsamen Heim mit Kamin und Kind. Natürlich nimmt Emma Klavierunterricht in der nächsten Stadt, um ihrem Kind etwas beibringen zu können. So eine gute Mutter ist sie, was für ein Glück sie doch haben. Gut, Emma ist oft gereizt, aber das liegt sicher an der schlechten Luft oder an ihrem sittlichen Willen…

Martin Seget’a, Camilla Danesi

Die Rolle von Emma übernehmen gleich fünf Tänzerinnen, die abwechselnd oder gemeinsam auf der Bühne die Romantikerin Bovary zu fassen versuchen. Positioniert zwischen einem altmodischen Ballett und einer modernen Choreographie drehen, springen und verbiegen sie ihre Körper zu klassischer Musik von französischen Impressionisten – Töne, die eine Seele auf dem Weg gen Himmel zu einer kurzen Rast verleiten würden. Wenn aber die Musik aus den Lautsprechern erlischt, nimmt ein rhythmisches Pochen ihren Platz:

Die laute Uhr wirft einen Schatten an die Wand, TICK TACK, es summt in den Ohren, als der Tanz beginnt, TICK TACK, die Enttäuschung frisst sich immer tiefer in Emma Bovarys Geist, TICK TACK, ihr Leben zunehmend mechanisch, ihr Ausdruck blass und leer, TICK TACK, eine französische Stimmung aus einer unbestimmten Richtung, TICK TACK, sie tanzt verzweifelt, das Gesicht immer dunkler vor Angst, TICK TACK, sie hängt an einem goldenen Kronleuchter wie ein toter Engel. TICK TACK, Ende des ersten Akts.

Im zweiten Akt gibt der Boden unter dem Schweiß der Tänzer*innen nach. Kein einziger Dialog und trotzdem dreht niemand im Publikum auch nur das Haupt. Die Darstellerinnen laufen vom ersten Akt davon, während die Männer verständnislos in ihrer eigenen Welt verweilen. Doch Emma Bovarys Fantasie kann ihre Scheinwelt nicht mehr halten. Der einzige Ausweg, welcher ihr bleibt, ist die Flucht aus dieser Welt. Das Gift, verkörpert durch den Tänzer Mingfu Guo, dreht sich mit Emma wie Lucifer durch die Lüfte. Ihre letzte Hoffnung ist ein romantischer Tod und in der Scheinwelt des Theaters wird sie nicht enttäuscht.

Mingfu Guo, Lara Brandi



CHOREOGRAFIE & REGIE: Enrique Gasa Valga

CHOREOGRAFISCHE ASSISTENZ: Martine Reyn

LIBRETTO: Enrique Gasa Valga und Katajun Peer-Diamond

BÜHNE: Helfried Lauckner

KOSTÜME: Andrea Kuprian

DRAMATURGIE: Alena Pardatscher

PHOTOGRAPHIE: Birgit Gufler

ENSEMBLE: Alice Amorotti, Michele Anastasi, Lara Brandi, Sandra Chamochumbi Castro, Camilla Danesi, Pilar Fernández, Mingfu Guo, Mitsuru Ito, Gabriel Marseglia, Sayumi Nishii, Martin Segeťa, Olivia Swintek, Paula Tarragüel Aguilar, Locke Venturato, Samuel Winkler

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