Vor fünfundzwanzig Jahren erschien der Titel L’amour toujours im gleichnamigen Album des italienischen DJs und Musikproduzenten Gigi D’Agostino. Vermutlich auch aufgrund seiner eingängigen und leicht singbaren Melodie wurde das Lied zum Megahit mit mittlerweile fast vierhundertneunzig Millionen Aufrufen auf YouTube. Als Single erhielt das Lied 2001 aufgrund seiner Verkaufszahlen in mehreren Ländern Gold oder Platin. Doch neben seiner Erfolgsgeschichte – mindestens eine komplette Generation ist mit der Melodie vertraut – zeigen sich auch dunkle Seiten. Ola Onabulé, der Sänger der Singstimme im Lied, wurde nicht genannt und ist daher auch nach einem Vierteljahrhundert in den Top Charts weitgehend unbekannt. Zusätzliche ungewollte Berühmtheit erlangte das Lied aufgrund rechtsextremer Parolen, die seit November 2023 unter anderem von der AfD-Jugend zu dessen Melodien gesungen werden.
Musik war immer schon politisch
Seit Musik Menschen erreicht und bewegt, wird sie politisch von verschiedenen Seiten genutzt. Sei es zur Unterhaltung des Hofstaates, wie es Mozarts Berufung unter Kaiser Joseph II. war, als Kampflied wie die Internationale der kommunistischen Arbeiter, oder zur Mobilisierung von potenziellen Wähler*innen wie die Raps des ehemaligen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache – die Effektivität besonders Letzterer sei dahingestellt.
Doch es kommt auch vor, dass bereits vorhandene Lieder von politische Gruppen für ihre Zwecke genutzt werden. Dieser oft parasitäre Umgang kann zwar einerseits mehr Bekanntheit für ein wieder in den Tiefen der Musikvielfalt versunkenes Lied bedeuten, aber andererseits wird es womöglich für radikale Zwecke und Verbreitung von Hass genutzt – wie es L’amour toujours passiert ist. Weder der Song noch der Interpret identifizieren sich mit den politischen Ideen, zu deren Verbreitung der Titel genutzt wird. Doch mit der Veröffentlichung geben Künstler*innen die Kontrolle über ihre Lieder ab, und sie können nicht beeinflussen, welche Texte die Massen zu ihren Melodien zum Besten geben.
„Ausländer-raus“-Parolen auf Partys in Sylt
Im Falle von L’amour toujours wurde bei mehreren Partys in Deutschland „Ausländer raus“ zur eingängigen Synthesizer-Melodie gejohlt, die sich durch das komplette Lied zieht. Die Videos davon, die ersten davon aus Sylt, wurden häufig in sozialen Medien geteilt. Mittlerweile gibt es auf YouTube sogar Remixes und Versionen, bei denen dieses rechtsradikale Gebrüll dem originalen Song überlagert wurde. Genauso hat sich auch das Gegröle ausgebreitet: nicht mehr nur von Partys in Deutschland, sondern auch in Österreich und Südtirol gibt es Videos, in denen rechtsradikale ihren Text zum Lied singen.
Dies hatte nun zur Folge, dass Radiosender und DJs überlegten, das Lied nicht mehr zu spielen. Unter anderem die UEFA verbot es für die EM komplett, auch am diesjährigen Oktoberfest soll es nicht mehr ertönen.
Mehr Fluch als Segen für den Interpreten
In einem Interview der NZZ mit Interpret Gigi D’Agostino, der die mediale Aufmerksamkeit sonst eher scheut, zeigt sich dieser schockiert über den Missbrauch seines Liedes. Er sei „wütend“ und „fühle sich hilflos“. Zudem habe er keinen Einfluss darauf, was Menschen zu seinen Melodien singen. Inhaltlich sehe er einen eindeutigen Widerspruch – im Text „gehe es um die einigende Kraft der Liebe“.
Im Gegensatz zu einem Verbot des Liedes argumentiert er für geeignete Maßnahmen dagegen, dass Musik für rechtsextreme Inhalte genützt wird. Er selbst will das Lied weiterhin wie bisher spielen.
Laut Standard online vom 4. Juli könnte D’Agostino durchaus rechtlich gegen eine Zweckentfremdung seines Liedes vorgehen, Helene Fischer habe bereits erfolgreich durchgesetzt, dass ihr Hit Atemlos nicht bei Veranstaltungen der NPD gespielt werden dürfe. Auch könnte er jeden einzelnen Partygast klagen, der den rassistischen Text gesungen hatte – auch wenn diese Möglichkeit sehr schwer zu realisieren ist.
Problematik im Urheberrecht
Auf die problematische Entstehungsgeschichte ging das Interview nicht genauer ein. So wurde der Jazz-Sänger Ola Onabulé, der für die Singstimme im Lied verantwortlich ist, bis heute nicht offiziell genannt. Über das Honorar für das Einsingen hinaus (1.275 Euro) erhielt der Onabulé keinen weiteren Anteil am Erfolg. In einem Interview mit dem DLF sprach er 2020 erstmals darüber, dass er selbst erst 2018 von dem Lied und dessen Erfolg gehört – und seine eigene Stimme sofort erkannt habe. Sein Name tauchte nirgendwo im Zusammenhang mit dem Lied auf, und D’Agostino reagierte nicht auf Versuche der Kontaktaufnahme.
Mittlerweile hat Onabulé geklagt, aus rechtlicher Sicht sollte zumindest sein Name genannt werden.
Weitere und neuere Informationen über den Rechtsstreit sind nicht zu finden, auch wenn Ola Onabulés Name auftaucht, wenn man auf YouTube den Titel des Texts von L’amour toujours, I’ll fly with you, eingibt. Allerdings nicht auf offiziellen Kanälen der Labels ZYX Music, Media Records und NoiseMaker, bei denen das Lied veröffentlicht wurde, oder D’Agostino selbst, sondern auf von Drittpersonen hochgeladenen nachbearbeiteten Versionen, aus denen D’Agostinos Part entfernt wurde.
Die Geschichte dieses Partyhits sich sicherlich noch nicht zu Ende. Sie zeigt aber auch, wie komplex Musik und der Umgang mit ihr sein und wie schnell ein Lied für politische Zwecke missbraucht werden kann. Der Interpret ist in diesem Fall überwiegend machtlos und kann schwer beeinflussen, welcher Text zu seinen Melodien gesungen werden.
Doch die Entstehungsgeschichte des Songs ist ebenfalls zu beachten. Denn dass die Nichtbeachtung von Sänger*innen bei von DJs produzierten Titeln gang und gäbe ist, ändert nichts an deren Rechten, genannt zu werden. Und damit im Falle Ola Onabulés den Anspruch erheben zu können, an einem der erfolgreichsten Partyhits der letzten dreißig Jahre maßgeblich mitgewirkt zu haben.
Interview der NZZ
Beitrag des DLF über Ola Onabulé
https://www.deutschlandfunk.de/l-amour-toujours-von-gigi-d-agostino-stimmenklau-mit-folgen-100.html
Artikel vom Standard über D’Agostinos Rechte im Umgang mit den Rechten
Beitragsbild: Danny Howe, Unsplash