Im Jänner hat Die Zeitlos einen Artikel über das ehemalige Lager der Gestapo in der Reichenau veröffentlicht. Das Lager befand sich ungefähr dort, wo heute der Recyclinghof Rossau steht. Dieser Umstand ist dem fehlenden Aufarbeitungswillen der Nachkriegszeit geschuldet, der zur Folge hatte, dass jegliche Spuren der NS-Zeit lieber beseitigt als bewahrt wurden. Die Stadt Innsbruck hat ihre Bringschuld in Sachen Erinnerungsarbeit erkannt und hat eine neue Gedenkstätte in der Nähe des ehemaligen Lagergeländes am Innufer bewilligt. Dazu beauftragte der Gemeinderat mit einem Beschluss vom 23. Februar 2023 das Kulturamt mit der Umsetzung eines Wettbewerbs. Das Gestaltungsbüro WEI SRAUM übernahm die Wettbewerbsbegleitung und der Gemeinderat beschloss am 12. Oktober 2023 einen Kostenrahmen von 700.000 € für die Umsetzung des Gesamtprojekts.
Der Wettbewerb erfolgte zweistufig: Zuerst gab es einen offenen call for entries, aus dem sechs Bewerber aus 31 Einreichungen ausgewählt wurden. Im nächsten Schritt wurden die ausgewählten Bewerbungen von der Jury beurteilt und nach intensiver Diskussion wurden zwei Projekte in die engere Wahl genommen. Am 27. April 2024 entschied sich die Jury mit 8 zu 12 Stimmen für den Entwurf von ARGE Bablick/Denzer/Machat/Schlorhaufer/Zschiegner.
An der Innpromenade Richtung Baggersee soll nun eine Gedenkstätte mit multimedialer Unterstützung entstehen, die vor allem auf Schulklassen ausgerichtet sein wird. Laut Entwurf soll der Eingangsbereich offen gestaltet sein und genau die Maße einer Lagerbaracke betragen. Es ist eine Ausstellung mit Informationen zum Lager, seiner Funktion und weiteren Geschichte geplant. Displays sollen Interviews mit Zeitzeugen zeigen und weitere Informationen über die Opfer und Täter sind ebenfalls vorgesehen. Außen sollen die Namen aller 114 Opfer angebracht werden. Am eigentlichen Ort des Lagers in der Nähe des Recyclinghofs sollen außerdem Bodenplatten mit „Stelen“ dazwischen verlegt werden, die die jeweilige Biographie der Opfer zeigen. Der jetzige Gedenkstein wird in die Planung integriert. Außerdem ist ein „Audioweg“ anvisiert, der mit einer eigens entwickelten App unterstützt werden soll. Insgesamt kostet das Projekt 1,3 Millionen Euro, an denen sich auch das Land Tirol beteiligen will. Die Pressekonferenz für die Präsentation der Ergebnisse war eigentlich für den 14. Juni 2024 angesetzt, Bürgermeister Anzengruber hat diese jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben, da er zuerst die Co-Finanzierug abklären wolle.
Neben der Planung für eine Gedenkstätte in der Reichenau haben vor Kurzem auch die „Wortdenkmäler“ und leider vor allem der Vandalismus ihnen gegenüber für Aufmerksamkeit gesorgt. Das Duo Pavlić & Pavlič hat im Raum Innsbruck vier „Wortdenkmäler“ aufgestellt, die auf die Ereignisse in der NS-Zeit hinweisen sollten. Die vier Wörter Forschung, Provokation, Marmelade und Kultur verwiesen alle auf eine Art auf den Nationalsozialismus, nachzulesen auf wortdenkmal.at. Leider hat diese Installation nicht lange gehalten, da es anscheinend unabhängig voneinander bereits in den zwei Wochen nach Eröffnung die Buchstaben Vandalismus zum Opfer fielen. Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit entschied sich das Kulturamt daraufhin für einen Abbau der Installation. Politische Beweggründe für den Vandalismus scheinen keine vorzuliegen, sondern eher nächtliche Zerstörungswut unter möglichem Einfluss von Rauschmitteln. Es soll dennoch bald ein Nachfolgeprojekt der “Wortdenkmäler” in Rum entstehen, trotz oder vielleicht auch gerade wegen des holprigen Starts in Innsbruck. Ein weiteres Projekt zum Gedenken an die Verbrechen der NS-Zeit aus dem Jahr 2023 ist die Klanginstallation von Lucas Norer, der unter dem Titel “Üb’ immer Treu und Redlichkeit” verschiedene Orte bespielte, die in der NS-Zeit dem verbrecherischen Regime dienten, wie auch das Lager in der Reichenau.
Für mehr Informationen zum Projekt Wortdenkmal im Rahmen des Projekts gedenk_potenziale, das jedes Jahr künstlerische für Gedenken im öffentlichen Raum fördert, findet ihr hier.