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“Ob der liebe Gott nicht möchte, dass wir über Geschlechterbinarität reden?”

Die Transgender-Frage. Ein Aufruf zu mehr Gerechtigkeit – Shon Faye (2022) – Eine Rezension.

In ihrem kürzlich erschienenen Sachbuch Die Transgender-Frage beschreibt die Autorin Shon Faye das Leben, die alltägliche Diskriminierung und Hetze in der medialen Berichterstattung, der trans Menschen (immer noch) ausgesetzt sind. Im Diskurs werden auch unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zahlreiche Falschinformationen verbreitet, welche die Themen weg von den Hauptanliegen wie Sicherheit, Akzeptanz und Menschlichkeit richten und sich dabei auf die Frage versteifen, ob etwa genderneutrale Toiletten die Welt verbessern oder verschlechtern würden. So erscheint das Buch, mangels adäquater Repräsentation in den Medien als gelungener Versuch, diese grundlegenden Thematiken anzusprechen und Antworten auf diejenigen Fragen zu geben, die sich die Autorin von den Medien wünschen würde. Die derzeitige Flut von falscher Berichterstattung greift sie auf und dreht dabei den Spieß um: Faye lässt sie in ihrem Buch geradezu auflaufen und deckt diese als falsch, erschreckend und teilweise geradezu lächerlich auf.

Unverblümt. Direkt. Auf. den Punkt

Shon Faye nimmt uns Leser*innen an der Hand und lässt uns über 336 Seiten in den Schuhen von trans Menschen laufen, während sie die Themen von Schmerz und geheuchelter Akzeptanz und einer gespaltenen Feminismus-Debatte anhand von journalistischen Beobachtungen schildert. Sie betont auch die bereits erfolgten Besserungen der Lebensumstände, zunehmende Informationskanäle und bezieht sich in ihren Ausführungen hauptsächlich auf die Entwicklungen in Großbritannien. Zwischen Erfahrungsberichten über die schockierende Realität lässt sie auch immer wieder eigene Erlebnisse mit einfließen, betont aber, dass es sich um keine Biographie handelt. Der Fokus liegt auf dem sozialen, nicht auf einem individuellen autobiographischen Aspekt.

Diese Reise durch den Alltag, die Herausforderungen und Hürden, ist dabei brutal ehrlich. Es erscheint ein präzises und rohes Bild der gesellschaftlichen grotesken Reaktionen auf ein allgemein-gesellschaftlich oftmals als bereits akzeptiert-gepriesenes Thema. Faye vertieft die Zusammenhänge zwischen Armut, Hautfarbe, Geschlecht und Diskriminierung, erklärt auch, dass sie in diesem Kontext als weiße trans Frau aus der Mittelschicht über andere Startbedingungen verfügte und beschreibt Frauenhäuser, Gefängnisse und die Verlorenheit, die für viele betroffene trans Menschen mit fehlenden Hilfsangeboten einhergeht.

Während der feministischen Stadtgespräche besuchte die Zeitlos die Buchvorstellung und Lesung, die am 24.10.2022 in der Stadtbibliothek Innsbruck stattfand. Hier spricht Faye die toxischen Debatten zur trans Thematik an, die auch innerhalb der Feminismus-Bewegung bestehen, die unzureichenden gesetzlichen Vorhaben im Lichte der körperlichen Selbstbestimmung und zieht hier einen Vergleich zu den aktuellen globalen Entwicklungen im Abtreibungsrecht für Frauen. Es gehe um dieselben fundamentalen Menschenrechte in sämtlichen sozialen Fragen, die nur durch gemeinsames Handeln gelöst werden können.

Eine Frage aus dem Publikum bezieht sich auf Fayes Vorstellung einer utopischen trans Politik. Durch die Abschaffung von Geschlechterbinarität könnte allgemein der gesellschaftliche Druck genommen werden, sich und den Mitmenschen eine Art Stempel zu verpassen. “Maybe we could all just be people”, erklärt Faye und lächelt traurig.

Nayra Hammann (Übersetzerin), Shon Faye, Zoe* Steinsberger (Moderation)

Autorinnen: Chiara Geppert, Isabella Walder

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