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Wie politisch darf Sport werden?

Russische Sportler*innen trifft es hart, wenn sie nicht mehr an internationalen Wettkämpfen teilnehmen können. Die wenigen, die sich mutig gegen Putin stellen, ganz besonders. Ein Leben lang trainieren sie dafür, nehmen schwerste körperliche Anstrengungen und mentale Belastungen in Kauf. Um dann wegen ihres Präsidenten ausgeschlossen zu werden.

Ein Kommentar von Jasmin Eiglmeier

Die Sperrung russischer Athlet*innen ist die richtige Entscheidung. Der Hintergrund: Viele Sportverbände wie die Fifa, der Weltreiterverband oder das Internationale Paralympische Komitee haben Anfang März 2022 ein Startverbot für russische Sportler*innen bei internationalen Wettkämpfen erteilt, nachdem Putin die Ukraine angegriffen hat. Die Gründe der einzelnen Verbände mögen vielfältig sein, jedoch zielen sie alle auf die Taten eines Menschen ab: Wladimir Putin und seine Politik.

Denn der russische Präsident nutzt Sport und sportliche Großveranstaltungen oftmals massiv für seine eigenen (außen-) politischen Interessen. Er bringt seine Gefolgschaft in höchste Positionen der Sportverbände, wie etwa die Präsidenten der Weltverbände des Schießens, Boxens und Fechtens. Durch Korruption und intransparente Entscheidungen konnte Putin sich die Fußballweltmeisterschaft 2018 sichern, aber auch die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi. Dabei kann er Russland als offenes, gastfreundliches Land präsentieren und innenpolitisch als der gute Landesvater punkten. Putins Politik braucht den Sport. Vor allem zum Netzwerken, denn nur so kann er sich auch in Zukunft Zuschläge für Turniere in seinem Land sichern. Der ehemalige Schach-Großmeister und Putin-Kritiker Garri Kasparow, selbst Russe, gibt aber auch den Sportverbänden eine Mitschuld an der Vergabe von Großveranstaltungen. In einem ARD-Interview sagt er: „Mit Diktatoren zu verhandeln ist einfacher, denn will man Gelder und Zuschläge aus Demokratien, muss man Anträge stellen. Will man Geld von Putin, kann ein Abendessen reichen.“ Durch den Ausschluss Russlands aus dem internationalen Sport ist Putins Netzwerken nun erst einmal bedeutend schwieriger geworden und erschwert intransparente Geschäfte.

Die Olympischen Winterspiele 2014 fanden von 07.02. bis 23.02. mit 88 teilnehmenden Nationen und 43 ukrainischen Olympionik*innen statt. Am 18.03. annektierte Putin dann die Krim. (Lizenz: CC-BY-SA-3.0 Sander van Ginkel)

Außerdem braucht Putin den Sport, um seine Bevölkerung zu unterhalten. Denn Sport und Sportgroßveranstaltungen sind in Russland sehr beliebt. Auch sind die sportlichen Leistungen russischer Athlet*innen in ihrer Symbolik nicht zu unterschätzen: „Erfolge machen Eindruck auf die Bürger. Sie zeigen, dass ein Land auch auf sportlicher Ebene mithalten kann, dass die Weltgemeinschaft den Staat respektiert und förder[n] den inneren Zusammenhalt.“ so der Sportsoziologe Gunter Gebauer. Damit wird Putin, der sein Land durch die Invasion territorial vergrößern will, zumindest auf sportlicher Ebene massiv beschnitten. Letztendlich könnte ihn das an Beliebtheit kosten.

Zudem sind zahlreiche Oligarchen und Staatsfirmen in sportliche Finanzgeschäfte mit dem Westen verstrickt. Das wohl bekannteste Beispiel ist Gazprom. Die russische Staatsfirma ist einer der Hauptlieferanten des in Europa genutzten Gases. Dementsprechend bringt sich die Fima als Großsponsor auch in Sportvereine wie Schalke 04, die UEFA und die Fußball-EM 2024 in Deutschland ein. Damit sucht der Kreml zwar klar die Kommunikation zwischen Europa und Russland, aber Putin sichert sich so auch sehr großen Einfluss im Sportgeschäft. Diesen Einfluss kappte der Fußballverein Schalke 04 nun, indem er den Vertrag mit Gazprom vorzeitig beendet hat. Bei 237 Millionen Euro Verschuldung und jährlich neun Millionen Zuschuss von Gazprom ein starkes Zeichen des Zweitligisten. Ein Zeichen, dass Humanität und Menschenrechte unverhandelbar und unbezahlbar sind.

Der russische Fußball-Nationalspieler Fedor Smolov hat 575.000 Follower auf Instagram und ist einer der wenigen Sportler*innen, der gegen Putin Stellung bezieht. Sein Нет войне bedeutet übersetzt Kein Krieg. (https://www.instagram.com/p/CaWrE-nMcyz/)

Einzelne russische Sportler*innen wie die Tennisspielerin Anastasia Pavlyuchenkova oder der Fußballer Fedor Smolov haben sich öffentlich kritisch gegenüber der Invasion in die Ukraine geäußert. Das ist mutig, da sie ihre zukünftige Karriere damit aufs Spiel setzen. Ein Großteil der russischen Athlet*innen bleibt jedoch still.

Wer anführt, dass es nun unschuldige Sportler*innen trifft, der hat einerseits recht. Andererseits steht Sport – vielleicht wie kein anderes – gesellschaftliches Teilsystem für Fairness und Frieden. Und wer den Frieden bricht, muss mit der weltweiten Solidarität den Opfern gegenüber rechnen. So politisch muss Sport sogar sein.


Wer die Hintergründe der russischen Invasion in der Ukraine genauer verstehen möchte, kann sich den Artikel von Jonas Heitzer Wie ein Kompromiss zum Krieg in der Ukraine beitrug durchlesen.

Titelbild: Aaron Doucett via Unsplash

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