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Das Ticken der Zeit

Die Zeit exakt zu messen ist ein nahezu unmögliches Unterfangen, dennoch wird es vielfältig probiert. Ein Blick quer durch die Historie der Uhren: Von alten Uhrenläden bis hin zur modernsten Physik des EU-Projekts IqClock, das der exakten Zeitmessung immer näher kommt.


Es ist erstaunlich ruhig, wenn man den Laden betritt. Erst, wenn man weiter zurückgeht und einen Blick nach unten in die Werkstatt bekommt, hört man das laute Ticken der vielen Uhren. Auf Arbeitsflächen liegen Werkzeuge und auseinandergebaute Uhrwerke, darunter eine große Anzahl sehr alter Modelle. Der Innsbrucker Familienbetrieb Schmollgruber beschäftigt sich zu einem nicht unerheblichen Anteil mit der Restauration alter Uhrwerke.

Die Uhren, die an den Wänden hängen, sind teilweise schon mehrere Jahrhunderte alt, man kann an ihnen eine lange Geschichte des Uhrenmachens ablesen. Es sind Uhren mit komplizierten Räderwerken zu sehen, schwere Pendel, die exakt geschliffen wurden, auch eine alte Kirchturmglocke hängt von der Decke herab. Es ist eine Geschichte, die mit dem Wunsch verbunden ist, die Zeit möglichst genau messen zu können. Doch dieses Ziel ist nicht einfach zu erreichen. Die Zeit ist wie ein leises Ticken, das beständig fortläuft. Die Uhrwerke versuchen zwar so nah wie möglich an diese Beständigkeit ranzukommen, hinken aber unweigerlich nach. Die Zeit drückt, ist aber nur schwer zu erreichen.

Noelle Schmollgruber, die Tochter des Uhrenmeisters Phillip Schmollgruber, zeigt auf eine Standuhr, deren gesamtes Uhrwerk offen ist. Man kann mit freiem Auge die Zahnräder sehen, sie sind alle aus Holz geschnitzt. „Das Material ist entscheidend für die Genauigkeit der Uhr“, meint sie. Holz sei anfällig für Feuchtigkeit und die Zacken der Zahnräder seien zu unregelmäßig, um eine exakte Zeitmessung garantieren zu können. Aber auch bei neueren Modellen aus anderen Materialien stellen sich der genauen Zeitmessung viele Hürden in den Weg. Bei Pendeln ist es der Luftwiderstand, der das Pendel einbremst, bei kleineren Uhren der Schmutz und die Schmierstoffe, die irgendwann die Geschmeidigkeit der Uhr beeinträchtigen, sie zum Stocken und Stehen bringen.

Zwei Gassen weiter liegt das Uhrengeschäft von Robert Witzmann, das stark auf Eleganz setzt. Die hellen Farben des Ladens kreieren ein luxuriöses Ambiente, die glänzenden Vitrinen stellen Uhren zur Schau, die versprechen, das Beste an Technik zu bieten, was man derzeit finden kann.   
„Mechanische Uhren liegen im Trend, da gibt es viel Neues“, sagt Witzmann, der in einem stilvollen Hemd und Gilet gekleidet ist. Er erzählt von Wanduhren, die ihre Geschwindigkeit je nach Luftfeuchtigkeit und Temperatur selbst regulieren, von Armbanduhren mit neuen Rädermechanismen. Doch auch er gesteht ein, dass auch die feinsten Uhren, irgendwann zu stocken beginnen und der Zeit hinterherlaufen.

Ein mutiger Blick nach vorn

Das EU Projekt IqClock nähert sich dem Traum, die Zeit genau festhalten zu können. An mehreren Forschungsstätten der EU wird an neuen Atomuhren gearbeitet, die eine Exaktheit erreichen sollen, die alles bisher Bekannte in den Schatten stellen soll. Wären die geplanten Uhren zum Zeitpunkt des Urknalls eingeschaltet worden, würden sie auch bis heute nicht einmal eine Sekunde nachgehen. Auf die Sekunde genau laufen auch sie nicht, das ist physikalisch unmöglich – es gibt immer einen Verschleiß. Doch man ist damit schon um einiges genauer als zuvor.       
Laurin Ostermann, Senior Scientist an der Universität Innsbruck, ist als theoretischer Physiker Teil dieses Projekts. Hinter ihm hängt ein Whiteboard an der Wand, an dem sich alle möglichen Formeln finden, manche weggewischt, andere ein paar Mal überschrieben, ein wildes Gekritzel. Er schwärmt von den vielen neuen Möglichkeiten, die diese perfektionierte Zeitmessung mit sich bringt. Nicht nur die Telekommunikation und GPS werden dadurch genauer, auch physikalische Experimente können noch exakter gemessen werden, für Einrichtungen wie das Schweizer CERN eröffnen sich gewaltige neue Möglichkeiten.

Der Vorteil von Atomen als Zeitmesser gegenüber konventionellen Uhren, ist, dass sie sich immer gleich verhalten. Die Elektronen der Atome kreisen um den Atomkern, sie tun das in einer gleichbleibenden Frequenz. So wie ein Pendel bei einer Wanduhr den Takt angibt, sind hier die Umdrehungen der Elektronen der Taktschlag. Mit Hilfe eines Lasers kann diese Frequenz gemessen und als Ticken einer Uhr verwendet werden.

Ostermanns Aufgabe ist es die Verhaltensweise der Atome und des Lasers möglichst exakt zu modellieren, die passenden Formeln und Zahlen dazu zu finden. Im Labor funktioniert das schon, Ziel ist es aber die Atomuhren kleiner zu machen, sodass sie auch fern vom Labor verwendet werden können. Dann braucht es keine vielen Physiker mehr, um sie stetig zu warten, sie kann auch von Privatpersonen verwendet werden. Dieses Ziel ist nicht einfach zu erreichen, die Atome etwa beeinflussen sich auch untereinander, was im Labor zwar beherrscht werden kann, außerhalb davon aber noch schwer in den Griff zu bekommen ist. Aber Ostermann ist zuversichtlich, dass dies funktionieren wird. Alles, was die Wissenschaft hierfür benötigt, ist noch ein wenig Zeit.

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