Überlegungen zu einem lebenswerten und gerechten Innsbruck.
Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht, daraus folgt, wenn man der WHO Definition von Gesundheit folgt, auch das Recht auf psychische und sozial Gesundheit.
“Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.” – World Health Organization
Nun hat der Aspekt der mentalen Gesundheit noch nicht in allen Bereichen der Gesellschaft den nötigen Stellenwert erreicht, obwohl er ein entscheidender Faktor für ein gutes, gesundes Leben ist. Wenn das Leben keine Freude mehr macht, weil man sich aus verschiedensten Gründen schwer fühlt, ist das kein schöner Zustand. Ein Mittelchen dagegen, das wir alle in Pandemiezeiten für uns entdeckt haben, ist ein Spaziergang in der Natur. Vor allem in Innsbruck gibt es unbestritten allerschönste Natur, umso mehr ist sie schützenswert, wenn sie uns doch so guttut und gesund hält. Aber was macht das Leben gut und gesund? Das ist eine Frage auf die viele ihre ganz eigene individuelle Antwort hätten. Aber auf eine Antwort könnten wir uns alle einigen: an einem schönen Fleckchen Erde ein bis zwei Mußestunden zu verbringen, das erfüllt die meisten. In Innsbruck gibt es von diesen schönen Fleckchen einige, und doch gibt es stetige Debatten, wie diese Fleckchen schlussendlich genutzt werden sollen. So sieht sich beispielweise die Kulturszene Innsbrucks immer wieder von Restriktionen konfrontiert, die davon zeugen, dass in dieser Stadt eher ein Nebeneinander herrscht und das Miteinander zuweilen fehlt. Dabei enthält die Kulturstrategie 2030 von Innsbruck sogar den Punkt: „Kulturelle Nutzung der natürlichen Umwelt“ der in einem weiteren Schritt im Handlungsfeld 7 genauer definiert wird: „kulturelle und ökologische Entwicklung verknüpfen, kulturelles Engagement für Umwelt- und Klimaschutz zeigen (…)“. Außerdem seien der verantwortungsvolle Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Beschäftigung mit Themen wie Klimawandel, Umweltschutz und Nachhaltigkeit selbstverständlich und besäßen daher auch im Kunst- und Kulturbereich einen hohen Stellenwert.
Aber nicht nur kulturell sondern auch gesundheitlich ist der Fokus auf ökologische Maßnahmen sinnvoll. Unter anderem den Bemühungen des bis 2023 amtierenden Stadtphysikus hat es Innsbruck beispielsweise zu verdanken, dass der Flughafen nicht so ausgebaut wurde wie von manchen gefordert. Abgesehen von der zusätzlichen Lärmbelastung, wären auch die Kranebitter Innauen der Landebahn und der daraus folgenden Innbegradigung zum Opfer gefallen, inklusive des Auwalds und Vogelschutzgebiets. Sicher hätte es es der Stadt mehr Wirtschaftskraft beschert, aber zu welchem Preis für folgende Generationen? Ohne Vögel, die in den Innauen einen Zufluchtsort haben, entsteht mit steigenden Temperaturen zum Beispiel das Problem, dass keiner die Moskitos wegfrisst, die die wärmer werdenden Temperaturen lieben. Geschweige denn, dass es sehr trostlos werden würde im Frühling, wenn uns kein Gezwitscher mehr aus dem Winterfrust holt.
Welche Ansätze gibt es noch seitens der Stadt?
Im städtischen Referat Strategisches Gesundheitsmanagement und Public Health ist auch der Wildtierbeauftragte Thomas ansässig, ein gelernter Forstwart, der sich unter anderem den Umgang mit Tauben im Stadtgebiet zur Aufgabe gemacht hat. Er sieht sich auch als Vermittler zum Thema Stadtgesundheit, da das natürliche Habitat der Straßentaube nun mal die Straße in urbanen Gefilden ist, also muss in einer Stadt auch ein entsprechender Umgang mit ihnen gefunden werden. Die Debatte um die hygienischen Probleme mit Tauben im Stadtgebiet flammt immer wieder mal auf, aber die typische Vergitterung als Abwehr löst das Problem nicht. Die Anerkennung des natürlichen Habitats der Taube bedeutet auch, städtische Taubenstöcke zu fördern. Denn das Hygienerisiko besteht vor allem bei sehr engem Kontakt zwischen Mensch und Tier und durch mit Kot kontaminierte Bereiche, doch ist dies mit entsprechenden Hygieneregeln wie Hände waschen händelbar (wie man sich übrigens auch die Hände waschen sollte, nachdem man einen Hund gestreichelt hat).
Das Reithmanngymnasium in der Reichenau betreibt im Rahmen des Biologieunterrichts eigene Taubenstöcke auf dem Dach und will so Kindern den Umgang mit Tieren beibringen, um Ekel oder Aversion abzubauen. Die Schule hat auch Projekte mit Schweinen (kann man besuchen, ihr Gehege grenzt an Ecke Reichenauer Strasse/Andechsstrasse), Bienen, Hühnern und Stabheuschrecken. Einmal im Jahr werden die Tauben an der Seegrube fliegen gelassen und die Kinder veranstalten ein Wettrennen zurück zur Schule. Tauben sind besondere Tiere, einerseits ihre Bindung an ihren Geburtsort, weswegen sie auch am Reithmanngymnasium als Brieftauben eingesetzt werden, andererseits ihre lebenslange Bindung an nur einen Partner, dessen Verlust wie bei Pinguinen einen starken Effekt bis hin zum Tod der hinterbliebenen Taube haben kann.
Pionierpotential für die Stadt Innsbruck
Der Umgang mit Stadttauben könnte ein Potential für die Vermarktung der Stadt Innsbruck bedeuten, auch im Hinblick auf EU-Förderungen, die in der Kulturstrategie als Ziel angestrebt werden. Ein Stadtmarketing sollte eben nicht nur Wohlstand fördern, sondern auch den Wert von immateriellem Gut schätzen und schützen. Gerade durch die besondere Lage Innsbrucks im Inntal, das nun mal nicht sehr breit ist, ist das Wachstum einfach begrenzt. Also sollten auch die städtischen Bestrebungen nicht allein auf Wachstum ausgerichtet sein, sondern auf die Erhaltung und der möglichen Umstrukturierung der Gegebenheiten. Durch den Fokus auf gemeinsames Erleben und Erfahren der Umwelt könnte ein kleiner Zauber des Alltags entstehen, der stückweise das gesellschaftliche Nebeneinander abbaut. Wenn sich zum Beispiel eine ansonsten anonyme Hausgemeinschaft zusammen über die ersten Schneeglöckchen im Grünstreifen vor dem Haus freut und darüber ins Gespräch kommt, kann dieser kleine Zauber des Alltags das Leben bunter machen und der mentalen Gesundheit aller helfen. Daraus könnte folgen: Mental gesunde Menschen bilden eine starke Zivilgesellschaft, die im Sinne der Gerechtigkeit aller agiert. Alle, das sind eben nicht nur wir Menschen sondern auch das was uns am Leben hält. Wir haben nur die eine Mutter Erde, die wir wertschätzen sollten, weil sie uns bedingungslos nährt. Das Recht der Erde auf gute Behandlung im Sinne der Gerechtigkeit wird in der wissenschaftlichen Forschung mit dem Begriff Umweltgerechtigkeit zusammengefasst und sollte nicht nur in der Wissenschaftsblase, sondern auch im Alltag seinen Platz finden. So könnten wir ein neues Mindset schaffen, dass uns allen gerecht wird. In anderen Weltgesellschaften wie zum Beispiel Ecuador ist das Konzept der nährenden und zu schützenden Mutter Erde (Pacha Mama) beispielsweise bereits in der Verfassung verankert und westliche Gesellschaften könnten sich hieran ein Beispiel nehmen.
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