Queer sein an der Uni Innsbruck scheint wie etwas ganz Natürliches: Längst können die Studierenden das Akronym LGBTQ+ entziffern, für homophobe Hasstiraden und systematische Diskriminierung der Community ist kein Platz. Unzählige Studierende sind selbst Teil des kunterbunten Buchstabensalats und können ihre Queerness im öffentlichen und privaten Raum zelebrieren. Doch so einfach ist das queer Sein an der Uni Innsbruck nicht, wie mir ein Gespräch mit dem LGBTQ+-Club gezeigt hat.
Der LGBTQ+-Club ist eine Initiative von Studierenden, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dort anzusetzen, wo die Struktur der Uni nicht mehr hinreicht. Bei unserem Gespräch wird der Club durch Physikstudent*in Anja und Politikwissenschaftstudentin Julia vertreten. Vor rund einem halben Jahr sind sie in die Leitungsrolle des Vereins, der derzeit 40 Mitglieder zählt, geschlüpft und planen alle zwei Wochen die gemeinsamen Treffen des Clubs, in denen unter anderem die neuesten persönlichen queeren Erfahrungen, aber auch Hilfestellungen zur Transition in Tirol besprochen werden. Meistens sind bei diesen Treffen zwischen 5 und 15 Teilnehmer*innen anwesend, die Julia und Anja allesamt auch zu ihren Freund*innen zählen – der Club soll schließlich einen komfortablen „safe space“ für queere Menschen darstellen, den sie ganz nach eigenem Verlangen mitgestalten können.
Der Club soll auch dazu dienen, queere Personen zu vernetzen und eine LGBTQ+-Community an der Uni Innsbruck zu erschaffen. Julia und Anna sprechen an, dass eine solche noch nicht existiert und demnach auch keine Handlungsmacht hat. Dies war auch die Motivation hinter der Gründung des Clubs, so Anja: „Es ist nicht viel da, also lass uns zumindest etwas tun.“ Zudem haben sie nicht das Gefühl, dass bereits existierende Organisationen wie die ÖH zum Beispiel mit ihren Studentenpartys ausreichende Arbeit für die queere Community an der Universität leisten – in diesem Fall gebe es zwar Bad Taste und Gsiberger Partys, aber keine, die das Queer sein in den Mittelpunkt rückt.
Darüber hinaus treten sie stark für mehr und leichter auffindbare genderneutrale Toiletten an der Uni ein. Julia kritisiert zudem die fehlende Repräsentation an der Universität während dem Pride Month – wenigstens eine öffentliche Solidarisierung mit der LGBTQ+-Community in Form von Regenbogenflaggen hätten sie sich sehr erhofft. Derzeit bleibt ihr Résumé der queeren Erfahrung an der Uni Innsbruck ernüchternd, doch sie hoffen, der alten Uni mit queerer Lebensfreude einen neuen Touch verpassen zu können.
Der LGBTQ+-Club an der Uni Innsbruck will safe spaces schaffen und queeren Anliegen eine kollektive Stimme verleihen. Für alle, die auf der Suche nach queerem Austausch und Repräsentation sind und ihr Queer sein zelebrieren wollen, sind die DMs des Clubs auf Instagram stets offen.
Interesse am ganzen Interview? Die komplette 10-minütige Version mit anschließender Diskussion, auf der dieser Artikel basiert, gibt’s zudem auf dem Freirad Radio bei der English Frequency zum Nachhören: www.freirad.at/the-english-frequency/
Das Titelbild Deutschland erwache! stammt von Karl Kunz, abfotografiert in der Nationalgalerie Berlin.