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Vertrauen in die Wissenschaft – Wissenschaft für Menschen außerhalb der Universitäten

Das Vertrauen der Österreicher*innen in die Wissenschaft ist laut Wissenschaftsbarometer der Österreichischen Akademie für Wissenschaften im Vergleich zu anderen EU-Staaten sehr gering. Die im November 2022 durchgeführte Umfrage untersuchte den Kontakt zwischen Bevölkerung und Wissenschaft, Wissenschaftler*innen sowie den Einfluss auf und von Politik und Wirtschaft. Im Gespräch berichtete Uwe Steger, Leiter des Büros für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher der Universität Innsbruck, über Interpretationen der Umfrage sowie die Angebote der Universität Innsbruck, Menschen außerhalb der Universität universitäre Forschung näherzubringen.

Beim Wissenschaftsbarometer Österreich 2022 handelt es sich um eine mit 1500 Probanden durchgeführte Studie, die die Begegnung der Österreicher*innen mit Wissenschaft und ihre Wahrnehmung darstellen soll. Die Ergebnisse erregten unter anderem beim Auftraggeber, der österreichischen Akademie für Wissenschaften (ÖAW) Besorgnis. Während zwar Interesse bestehe, sei die Gruppe, die kein Vertrauen in Wissenschaft und Forschung setzt, in Österreich deutlich größer als in Deutschland und der Schweiz.

So behaupten 64% der Befragten, sie seien schlecht informiert, 48% seien unzufrieden mit der medialen Berichterstattung über Wissenschaft. Ihre Informationen bezieht mit 69% ein Großteil der Menschen aus dem Netz, darauf folgen die ORF-Sender mit 51%. Die Hauptinformationsquellen im Internet seien Wikipedia und YouTube, darauf folgen Online-Seiten von Zeitungen und Fernsehsendern.
Mit 46% denkt fast die Hälfte der Befragten, die Wissenschaft sollte mehr auf das hören, was die einfachen Leute denken. 44% schätzen den Einfluss der Wirtschaft als zu groß ein, 56% den der Politik. Und schließlich halten 20% wissenschaftliche Erkenntnisse für zumindest „getrickst“, wenn nicht grundsätzlich manipuliert.

Generell scheint Bildung und Wissenschaft in Österreich keinen so großen Stellenwert zu genießen wie etwa Sport, so Uwe Steger. Trotzdem habe er den Eindruck, dass die Menschen Interesse haben. „Was allerdings besonders vor dem Hintergrund der Pandemie wichtig ist, ist immer wieder klarzumachen, wie Wissenschaft funktioniert. Dass es unterschiedliche Meinungen zu einem bestimmten Zusammenhang gibt, heißt noch nicht, dass die Wissenschaft sich grundsätzlich uneins ist. Das den Leuten zu erklären ist oft schwer. Und wenn ich eine Forschungsfrage formuliere und sie sich dann im Experiment als falsch herausstellt, dann ist das kein Versagen. Das ist eine Erkenntnis und jemand anderes muss den Weg nicht mehr gehen, weil sich schon gezeigt hat, dass der so nicht funktioniert.“

Dass es einen wirtschaftlichen Einfluss auf die Forschung gebe, lehnt Steger grundsätzlich ab. Zwar werde ein Großteil der Forschung der Universität Innsbruck aus Drittmitteln finanziert, davon stamme das meiste aber aus öffentlichen Förderungen für Forschung, etwa dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) und vergleichbaren EU-Institutionen. Und solange der kleine Teil, der tatsächlich von wirtschaftlichen Geldgebern stammt, transparent gekennzeichnet wird, reiche das aus, um die Ergebnisse zu beurteilen.

Das Verschwimmen der Grenze zwischen Politik und Wissenschaft sollten im Ernstfall die Wissenschaftler*innen selbst verhindern, indem sie selbst eine klare Grenze ziehen. „Wissenschaft kann zu bestimmten Themen Antworten geben, aber sie macht keine Politik. Die Entscheidungen müssen Politiker*innen treffen. Wenn Wissenschaftler*innen gegen ihren Willen vorgeschoben werden, müssen sie sich auch zur Wehr setzen, wie wir das eh auch in den letzten Jahren gesehen haben.“

Im Internet sei die Universität Innsbruck auf „allen Kanälen“ vertreten, von YouTube über Instagram und TikTok bis zu LinkedIn, und sei, die Followerzahl betreffend, im Vergleich mit Universitäten aus Österreich und sogar Deutschland unter den Top 10. Auch der Einsatz von Suchmaschinenoptimierung sei sehr effektiv, etwa im Bereich der Studienbewerbung. Außerdem werden Wissenschaftler*innen in Schulungen dazu angehalten, ihre Ergebnisse auch auf Wikipedia zu veröffentlichen, um „Wissenschaft unters Volk zu bringen“ (Steger). Mit Fernseh- und Radiosendern sowie Zeitungen arbeite man ebenfalls gelegentlich zusammen, um Beiträge zu gestalten oder mit Expertise zu unterstützen, lokal etwa mit Freirad.

Sehr wichtig sei aber der persönliche Kontakt mit Wissenschaftler*innen durch Programme wie Citizen Science oder Pop-Up-University, in deren Rahmen Menschen an Orten außerhalb der Universität abgeholt und miteingebunden werden sollen. In persönlichen Gesprächen, wie sie sich bei solchen Veranstaltungen entwickeln, werde deutlich, dass die Themen, an denen die Wissenschaftler*innen in allen Fächern forschen, genau die sind, die die „kleinen Leute“ betreffen – Klimaerwärmung, Nachhaltigkeit, gesellschaftlicher Wandel. Auch die Lange Nacht der Forschung erfreue sich großer Beliebtheit, besonders bei Familien. Die Schwellenangst davor, Fragen zu stellen, die viele Menschen haben, die zum Beispiel nicht studiert haben, hätten Kinder nicht. Damit ziehen sie ihre Eltern besonders bei derartigen Veranstaltungen durch ihre Neugier mit. Aber gerade hier sei noch Luft nach oben, so Steger, beispielsweise bei der Betonung, dass die Universität ein öffentlicher Raum und damit grundsätzlich für jede*n zugänglich sei.

Abschließend stellt Steger fest, dass sich seit Beginn der Öffentlichkeitsarbeit 1993/94 mit ihm als ersten Mitarbeiter des Büros sehr viel geändert hat. „Zum einen hat sich die Barriere zwischen Uni und Stadt sehr verkleinert. Zum anderen haben sich auch die Wissenschaftler*innen sehr geändert. Fast alle Wissenschaftler*innen, die ich kenne, sind so begeistert von ihren Themen, dass sie sie gerne erklären. Und diese Begeisterung springt im Gespräch dann über, weil die Leute dann merken, wie viel Energie sie investieren. Wenn es gelingt, diesen Funken überspringen zu lassen, dann sehen die Leute, dass das nicht einfach so ein Apparatschik ist, der von irgendjemandem gesteuert wird, sondern dass das auch nur Menschen sind, die das gern machen.“

Herzlichen Dank an Uwe Steger für das aufschlussreiche Gespräch!

Link zum Wissenschaftsbarometer: https://www.oeaw.ac.at/wissenschaftsbarometer/ergebnisse

Bild: Pressematerial der Universität Innsbruck

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