Folge
Newsletter
Anmelden

Krimikabarett Prohaska

Voller Vorfreude betrete ich am 17. Oktober kurz vor 20 Uhr das Treibhaus. Wie immer herrscht hier Stimmengewirr, es ist laut und es riecht nach Pizza und Menschen. Freundlich wird mir eine Karte gereicht, ich betrete die Treppen zum Turm vom Treibhaus, der mir nach einigen Jahren in Innsbruck doch schon bekannt ist – selten habe ich ihn jedoch so vibrierend wahrgenommen. Ich quetsche mich durch Menschen hindurch, um mir ein Sodazitron zu holen und setzte mich in die letzte Reihe.

Jemand beginnt, etwas Alkoholisches in Shotgläsern und Biskotten auszuteilen, was ich lustig finde. Die Menschen neben mir diskutieren, ob es sich um Cognac handelt. Warum das so ist, wird mir erst nach Minuten klar. Denn die Veranstaltung, die ich heute besuche, wird vom Literaturclub und -magazin „Cognac &Biskotten“ organisiert. Das Publikum ist gemischt und es kommt mir so vor, als würden sich alle kennen. Ein Junge – vielleicht zehn Jahre alt – und ich senken den Altersdurchschnitt aber dennoch merklich.

“Co & Bi” ist seit 25 Jahren als Verein Teil der Literaturlandschaft Innsbrucks. Sie veranstalten Literaturwettbewerbe, Schreibwerkstätten, vergeben Literaturstipendien und veröffentlichen alle zwei Jahre ein Magazin.   Auf ihrer Website beschreibt sich der Verein selbst: „Cognac & Biskotten ist lebendig, leichtfüßig, herzerfrischend, viele Sinne ansprechend, liebevoll, philanthropisch, detailverliebt, gut durchdacht, inspirierend, berührend, experimentierend, künstlerisch mitmischend (in allen Projekten – sprich Kultur und Kunst selbst produzierend und immer mit-/gestaltend), multimedial, partizipativ, fördernd und kooperativ.“

Um Punkt 20.13 Uhr wird es dunkel, ein Lichtkegel richtet sich auf eine Frau, die auf einer Zither eine Melodie spielt. Zwei lustig aussehende Herren betreten die Bühne, einer singt „Happy Birthday“, der andere trägt eine knallrote Strickjacke. Jetzt beginnen für mich zwei Stunden, in denen ich so viel lachen muss wie schon lange nicht mehr.

Auf der Bühne stehen als Polizisten Daniel Suckert, geboren in St. Johann, Journalist, Kabarettist und Autor sowie Thomas Schafferer, geboren in Innsbruck, österreichischer Schriftsteller, Kulturvermittler und Verleger. An der Zither begeistert Brigitte Hochrainer.

Das Stück spielt im Land der „Liftkaiser“ – in Tirol also. Es geht um die Serie “Bergdoktor”: „und du schaust es ah no“ – „i und 300.000 Piefke“ und „Bergdoktor schaun is wie onanieren – jeder tuats aber koana red drüba“; um Hipster „Schiachheit is modern“ und ganz auffällig unauffällig um Corona. Ohne, dass ich mich peinlich berührt fühle, stellen die zwei Charaktere Publikumskontakt her, eine angesprochene Person im Publikum – Thomas – reagiert überraschend souverän und spontan. Er soll  Auto fahren simulieren, macht dies authentisch und scheinbar unbedarft. Es fühlt sich nicht unpassend an, dass die berüchtigte vierte Wand durchbrochen und die Bühne und das Spielen selbst diskutiert wird. Ohne, dass es lächerlich aufklärerisch wirkt, wird auch das Thema Demenz und Alter thematisiert, der Tod „Ruhezone is da Freidhof“ und das Scheitern. Denn die zwei Polizisten auf der Bühne, scheitern bei jeder ihrer Aktionen. Das Scheitern bringt die Menschen um mich zum Lachen, das Scheitern ist so menschlich, so erheiternd. Einer der Männer spricht in fünf verschiedenen Dialekten und Stimmlagen, was alles noch komischer macht.

Auf fünf Erzählebenen werden mir den ganzen Abend über Lachtränen in die Augen getrieben. In der Anfangsszene befinden sich die zwei Männer, pensionierte Polizisten, vor ihrem Haus. Bühnenbild und Requisiten gibt es nicht, alles wird dazugedacht, dazuerfunden. In der nächsten Szene springt die Handlung zehn Jahre zurück, zu einem Autobahntunnel, wo die Polizei „kassieren“ soll. Wieder zehn Jahre zurück finden sich die Männer auf dem Parkplatz des Alpenzoo bei einer scheinbaren Drogenrazzia wieder, die vollkommen danebengeht. Nach einem Zeitsprung von weiteren zehn Jahren befinden sie sich in einem U-Boot am Boden vom Inn hinter der Universität. Die Tatsache an sich ist bereits komisch. Kenntlich gemacht werden die Zeitsprünge durch Hochrainers Anwesenheit an der Zither. Teilweise hört man Ausschnitte vom Sänger Falco „Alles klar, Herr Kommissar“ und Danger Dan „Von der Kunstfreiheit gedeckt“. Die Frau, genannt „Geierwally Gitti“ singt vor sich hin, macht Geräusche, ihre Stimme mit der Zither klingt schräg und gleichzeitig schön.

Nach einer 15-minütigen Pause wird eine scheinbare Sponsorin, eine Bestatterin, auf die Bühne geholt, die witzig und schlagfertig von ihrer Arbeit erzählt – sogar „Probeliegen“ könne man bei ihr. Die zwei Kabarettisten finden ihren Beruf auch spannend, denn in ihrer „Welt sterben keine Leute, sie fahren nur lang auf Urlaub.“ Die beiden Polizisten ermitteln weiter, Schritt für Schritt geht es wieder Richtung Gegenwart und als sie sich nach dem Krimikabarett verabschieden, tut mir der Bauch vor Lachen weh.

Der Abend war schön, erheiternd, das Stück glücklichmachend und einfach nur lustig. Hoffentlich wird dies nicht das letzte Krimikabarett von Kommissar Prohaska und Inspektor Maier sein.

Beitragsbild: Paul Krismer

Total
0
Shares
Vorheriger Artikel

70er Sexploitation zwischen Porno und Psychose - A woman‘s torment

Nächster Artikel

Berauschend: Berauschte Männlichkeit

Verwandte Artikel