Folge
Newsletter
Anmelden

Beyond the Wall – Die Drachen sind zurück

*Achtung Spoiler: Der Artikel bezieht sich teilweise auf das Serienfinale von Game of Thrones*

Das Spiel um die Macht

„Wer wird den Eisernen Thron besteigen?” Wenige popkulturelle Ereignisse haben unsere Gesellschaft Anfang 2019 so sehr beschäftigt, wie die große Spannung um das Ende der Serie Game of Thrones.
In beträchtlichem Umfang wurde in den Kommentarbereichen sämtlicher sozialer Netzwerke diskutiert, argumentiert und gestritten, wer nun endgültig das Spiel um die Macht im fiktiven Westeros gewinnen wird.
Das Phänomen Game of Thrones dominierte zehn Jahre lang das Fernsehprogramm. Wenig überraschend erhielt die Serie in der Vergangenheit zahlreiche Preise, beispielsweise einen Golden Globe für den Schauspieler Peter Dinklage als bester Nebendarsteller in seiner Rolle als Tyrion Lannister.

Zugegeben, auch ich war und bin ein großer Fan der Serie. Jeden Sonntag habe ich mich mit einer Tasse Kaffee bis vier Uhr nachts wachgehalten, um gemeinsam mit Millionen anderer Fans auf der ganzen Welt der wöchentlichen Ausstrahlung beizuwohnen. (Die Tatsache, dass ich damals am nächsten Morgen um halb sieben aufstehen musste, um in die Schule zu gehen, lassen wir an dieser Stelle außen vor.)

Reale Perspektiven


Dass die Welt rund um Jon Snow und Co. jedoch mehr zu bieten hat als ein unterhaltsames Abendprogramm, zeigten  eine Vielzahl von Wissenschaftler*innen verschiedenster Fachrichtungen im Mai des vergangenen Jahres. Bei einer Tagung unter dem Titel “Beyond the Wall” stellten die Teilnehmer*innen in Innsbruck unterschiedliche Forschungsergebnisse vor, die sich allesamt mit der Serie und ihrem Einfluss auf die reale Welt beschäftigen.
Die Ergebnisse der Tagung wurden nun von Anna Gamper und Thomas Müller (Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Innsbruck) in Form eines Herausgeberbandes veröffentlicht. Die Einzigartigkeit der Serie verdeutlichten die Vortragenden vergangene Woche bei der Präsentation des Buches.

Über das Buch


Tobias Unterhuber untersuchte beispielsweise die Phänomene von Serialität und Finalität, welche sich mit dem von vielen als enttäuschend empfundenen Ende der Serie beschäftigen. Darüber hinaus befasst er sich -wie auch Anna Gamper- mit dem Fanliebling Daenerys Targaryen. Gamper beleuchtet das Motiv des Tyrann*innen-Mordes aus einem staatswissenschaftlichen Blickwinkel. Respektiv verfolgt sie die Frage, wie gerechtfertigt Daenerys’ Ermordung durch Jon Snow am Ende der Finalen Staffel ist.

Unterhuber hingegen erklärt mit Argumenten –  die auch mich dazu brachten, das Serienfinale aus einem neuen Blickwinkel zu reflektieren – weshalb es entgegen weitverbreiteter Meinungen bereits in früheren Staffeln Anzeichen für das düstere Ende von Daenerys aus dem Hause Targaryen, die Erste ihres Namens, Königin der Drachenbucht, Königin der Andalen….gab. (Anmerkung: Die Ansammlung ihrer Beinamen im Laufe der Handlung hat anders als man vielleicht denken könnte nichts mit dem überraschenden Wahnsinn zu tun, der den Charakter in den letzten drei Folgen der achten Staffel befällt.)

Im Bereich der Sprachwissenschaften untersucht Gabriella Mazzon vom Institut für Anglistik sprachliche Besonderheiten der diskursiven Strategien zweier weiblicher Hauptcharaktere, die sich gerne damit rühmen, „nicht wie andere Mädchen zu sein.” In Mazzons Aufsatz erfährt die Leserschaft, ob wenigstens eine der beiden im Verlauf der Serie erkennt, dass es vielleicht gar nicht so schlimm ist, genau wie andere Mädchen und Frauen zu sein.

Franz Eder von der Fakultät für Soziale und Politische Wissenschaften hat in seinem Vortrag erkannt, dass der Großteil der Studierenden die Basics der internationalen Politik mit mehr Enthusiasmus erlernen würde, wenn diese durch Bezüge auf die Serie verglichen werden könnten. Denn die theoretischen Ansätze von Hobbes, Machiavelli und Co. finden sich in der Politik von Westeros wieder. So besitzt das Oberhaupt des Hauses Lannister, Tywin Lannister, durch seine Machtpolitik und Aussagen wie “[a] lion doesn’t concern himself with the opinion of sheep” den Status eines Realisten. Nach realistischer Theorie, ist das oberste Ziel jedes Staates das eigene Überleben. Tywin Lannisters oberstes Ziel ist das Überleben des Hauses Lannisters.


Anna und Martina Kraml gewähren einen Einblick in die Verhältnisse von Religion und Identität auf dem Kontinent und zeigen, dass selbst die Bewohner von Westeros nicht vor einer Fantasy-Version der Zeugen Jehovas sicher sind. So thematisieren sie die Präsenz der Alten und der Neuen Götter, den Glaube und das intensive Vertrauen einiger Charaktere in den sogenannten “Herrn des Lichts” oder den “Hohen Spatz”, dessen wachsender Einfluss die Politik innerhalb der Hauptstadt Königsmund für einige Zeit sichtlich lenkt.

Die Rückkehr des Game-of-Thrones-Hypes

Der Herausgeber*innenband wurde passend zur derzeitigen Ausstrahlung der Prequel Serie House of the Dragon veröffentlicht, die den internen Familienkrieg der Targaryen-Dynastie zweihundert Jahre vor Robert Baratheons Rebellion thematisiert. Ob die Serie einen ähnlichen Hype erlebt wie ihr Vorläufer, bleibt jedoch abzuwarten.
Tatsache ist jedoch, dass sich durch beide Ereignisse mein Instagram-Feed in eine Informationsflut aus “Dracarys”-Zusammenschnitten, Memes und unendlichen Wiederholungen der berühmten Titelmelodie von Ramin Djawadi verwandelt hat. Meine Nerven halten kein weiteres Bild eines übersehenen Starbucks-Bechers mehr aus.

Das Buch “Beyond the Wall”: Game of Thrones aus interdisziplinärer Perspektive ist durch Open Access öffentlich zugänglich. Reinschauen lohnt sich! Es braucht kein Vorwissen zu denspezifischen Teilbereichen. Das Einzige, das die Leser*innen mitbringen sollten, ist das Interesse an G.R.R. Martins Werk.

Copyright @pixabay

Total
0
Shares
Vorheriger Artikel

Stromausfall, Krieg, Pandemie – Was wir von Büchern über Katastrophen lernen können

Nächster Artikel

glaubst du

Verwandte Artikel