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Stromausfall, Krieg, Pandemie – Was wir von Büchern über Katastrophen lernen können

Panikmache oder recherchierte Spekulation? Bereits vor dem Ausbruch einer nicht genannten Pandemie waren Bücher über Katastrophenfälle bekannt und beliebt. Und während die meisten dieser Bücher ein sehr starkes fantastisches Element haben, sind auch viele sorgfältig recherchiert und basieren auf realen Möglichkeiten.

Viele der beschriebenen Ernstfälle – atomare Katastrophen, Pandemien, großflächige Stromausfälle und dergleichen – sind bis zu ihrem Eintritt undenkbar. Und trotzdem befinden wir uns seit drei Jahren in einer Situation, die vor ihrem Eintreten als Fantasie von Science-Fiction-Autor*innen abgetan worden wäre.

Das 2012 erschienene Buch Blackout – Morgen ist es zu spät des österreichischen Autors Marc Elsberg beschreibt den Hergang und die Folgen eines europaweiten Stromausfalls aus verschiedenen Perspektiven, auf ganz Europa verteilt. Bei der Lektüre fallen sofort einige Parallelen zum März 2020 auf, als sowohl öffentliche Einrichtungen als auch Privatfirmen schließen mussten und die Menschen, besonders zu Beginn, zwischen Schockstarre und dem Versuch, etwas Gutes aus der Situation zu machen, gefangen waren. Im Verlauf der etwa zwei Wochen, die das Buch abdeckt, wird das System sowie die menschliche Zivilisation an den Rand des Abgrunds geführt, vielleicht sogar ein Stück weiter. Ohne Strom fehlt das Warmwasser, die Pumpen, die Wasser in höhere Stockwerke befördern, funktionieren nicht, Kühlschränke fallen aus und nachdem die zentrale Möglichkeit der Kommunikation, das Internet, auch an den Strom gebunden ist, versagt die Infrastruktur. Bereits nach kurzer Zeit tauchen Proteste auf, man will das alte Leben zurück – Szenen, die ein wenig an die Parolen bestimmter Demonstrierenden und Präsidentschaftskandidaten erinnern.

Das Besondere an dem Buch ist die Recherchearbeit, die hineinfloss: Während der Autor selbst im Nachwort angibt, einige Details für Einfachheit und Spannung verändert zu haben, orientiert sich die technische Seite der Handlung an Stuxnet, ein Virusprogramm, das tatsächlich existiert und in den späten 2000ern im Iran für viel Chaos verantwortlich war. Das Programm befällt Steuersysteme, die in verschiedensten (Energie-)Branchen eingesetzt werden und Abläufe etwa in Wasser- oder Atomkraftwerken automatisieren. Im Iran führte die große Zahl an befallenen Rechnern zu großen Problemen im Atomenergieprogramm.

Doch das eigentliche Problem im Buch sind nicht die technischen Systeme, sondern die Menschen: Während die Staaten versuchen, die Versorgung aufrechtzuerhalten, kommt es zu Plünderungen, Schwarzmärkte mit überteuerten Lebensmitteln tauchen auf – es besteht eine gewisse Ähnlichkeit zu den berüchtigten „Hamsterkäufen“. Die Staaten tun ihr Möglichstes, sind aber auf einen Ernstfall in dieser Größenordnung nicht vorbereitet. Gleichzeitig sind auch die Menschen als Einzelpersonen nicht vorbereitet: Kaum jemand hat genügend Nahrungsmittel und Wasser daheim, um mehrere Tage auszuhalten, viele besitzen kein batteriebetriebenes Notfallradio, um Nachrichten empfangen zu können.

Und genau diese Vorbereitung ist ein wichtiger Punkt. Auch in der realen Welt haben Einzelpersonen keine Möglichkeit, die staatlichen Vorbereitungen zu beeinflussen, doch sie können sich selbst vorbereiten. Sowohl deutsche als auch österreichische Behörden raten zur Bevorratung haltbarer Lebensmittel, laut deutschem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sollte ein Vorrat für 10 Tage aufgebaut werden (auf dessen Seite wird sogar explizit auf den Roman verwiesen).

Doch wer hat einen derartigen Notfallvorrat? Wo soll ein*e Studierende*r in einem Wohnheim einen derartigen Vorrat unterbringen? Und wer besitzt ein Notfallradio?

Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass wir derartige Vorbereitungen nicht brauchen, weil die Katastrophenfälle nie eintreten. Wir müssen uns bewusst sein, wie leicht die aktuelle Ordnung zerbrechen kann und wie sehr wir in unserem Alltag von Infrastruktur wie dem Internet abhängig sind. Und uns zumindest die Frage stellen, was wir ohne Strom und Internet tun würden.
Gleichzeitig würde eine dezentrale Stromversorgung im Katastrophenfall die Sicherung der Stromzufuhr erleichtern. Ein Haus mit Photovoltaikanlage oder Sonnenkollektoren ist in einem solchen Fall besser ausgerüstet, und vielen verteilten Kraftwerken kann ein einzelner Störfall weniger schaden als einem großen.

Und während so abrupte Veränderungen, wie sie in Krisenzeiten passieren, stets schwierig zu verarbeiten sind, so sind Panik und Plünderungen keinesfalls eine Lösung. Die Menschheit ist in der Lage, sich anzupassen, doch dafür muss sie lange genug auf ihre Vernunft vertrauen, das Schlimmste überstehen. Die Angst vor Veränderungen, die viele von uns ergriffen hat, muss überwunden, das Unaufhaltsame nicht bekämpft, sondern akzeptiert werden.

Jede Veränderung birgt Chancen.

Downloads des österreichischen Innenministeriums zum Thema Katastrophenschutz: https://www.bmi.gv.at/204/Download/start.aspx

Infos zur Bevorratung des deutschen Bundesamts für Bevölkerungsschutz:
https://www.bbk.bund.de/DE/Warnung-Vorsorge/Vorsorge/Bevorraten/bevorraten_node.html

Bild: unsplash.com (bearbeitet von Daniel Singh)

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