„Ist Ihnen je aufgefallen, wie wunderschön der Frühling ist, aber er erfüllt einen doch mit trauriger Sehnsucht, weil nichts, was einem im Leben widerfährt, jemals den süßen Gefühlen nahekommt, die der Frühling in einem wachruft? Und dass der Herbst wundervoll ist, aber dass er einen doch mit trauriger Sehnsucht erfüllt, weil alles stirbt, und das Leben ist wunderschön und grauenhaft, und es gibt keine Linderung dieser grässlichen Sehnsucht, die man mit sich herumträgt? Ist Ihnen das auch schon aufgefallen? Ihnen allen? Ich nehme an, dass das ein allgemein verbreitetes Gefühl ist, nein? Ich weiß, ich fühle, dass es einfach universell ist.“
Die Frau malt sitzend mit Bleistift große Thunfischdosen auf ein Blatt Papier. Sie wolle über das Leben erzählen, sagt sie. Dieses unbefriedigende Gefühl, das man bekommt, wenn das Tixo beim Abreißen sofort zusammenklebt, das hat er nicht. Gewissenhaft reißt er Stück für Stück ab und klebt es, ebenfalls sitzend, behutsam an die rechte Seite seines kleinen Tisches. Er sagt ein Persönlichkeitsworkshop habe sein Leben gänzlich umgedreht – er denke jetzt nur noch positiv.
Wenn ich versuche die Unterschiede zwischen einem Monolog und einem Dialog zu erdenken, dann erscheint mir der Monolog als ein Selbstgespräch und der Dialog als Gespräch zwischen zwei oder mehr Personen – meistens wechseln sich diese beim Sprechen ab.
Kennst du die Situation, wenn diese eine nervige Frau vor dir am Ticketschalter im Theater einfach viel zu lange braucht und du doch nur einen Flyer vom Tresen nehmen willst? Oder vielleicht dieser eine Mann im Supermarkt, der dir im Weg steht, dabei willst du doch einfach nur kurz etwas aus dem Regal holen? Oder diese Person, die auf der Rolltreppe in der U-Bahn nie kapieren wird, dass diesem Reim rechts stehen, links gehen auch eine Bedeutung zukommt?
Die Adressat*innen des Gesprächs sind im Dialog doch nicht nur die gegenüberstehende(n) Person(en), sondern oft auch die Sprechenden selbst. Gleichzeitig kann ein Monolog, vor allem im Theater, auf ganz besondere Weise zu einer kollektiven Erzählaktivität werden. Das Publikum wird nur etwas miteinbezogen – das muss jetzt nicht gleich mit Händeheben und Fragen an die Zuschauer*innen geschehen, viel Augenkontakt kann da schon reichen. Und siehe da: das Narrativ und die kollektive Wahrnehmung bewegen sich. Hin in eine Richtung, die nicht nur noch die sprechende Person vorgibt.
Da hab‘ ich dich schon! Situationen, die wir alle irgendwie kennen. Emotionen, die wir alle irgendwie mit diesen verbinden. Ja und wie geht´s uns damit? Beschissen! Am liebsten würden wir die Frau am Schalter anschreien und beleidigen, den Mann im Supermarkt beiseite schubsen und zum Regal greifen, und die Person auf der Rolltreppe mit der Schulter so anrempeln, dass sie gerade nicht zu Boden fällt. Was? Du findest das zu aggressiv?
Wenn einem der oder die Gesprächspartner*in nicht zuhört oder unaufmerksam ist, dann kann aus einem Dialog auch mal ein Monolog werden – um aus einem Monolog einen Dialog zu machen, ist allerdings auch nicht so viel nötig. Eigentlich müssen sich doch nur zwei Monologe, die in einem ähnlichen Zeitraum präsentiert werden, thematisch annähern – oder müssen sie das überhaupt?
Und all das Leid, das es hier und woanders gibt – ständig erinnert uns der konstante Informations(ein)fluss daran. Dabei wäre es doch so leicht (!), einmal etwas positiver zu denken und all das Schlechte zu vergessen. Gerade in Situationen wie der im Supermarkt ist das allerdings nicht so leicht. Was denkt sich eigentlich der vor mir stehende Mann, während ich so lange dafür brauche, mich für die Linke oder die Rechte als Schupf- und eventuelle Schlaghand zu entscheiden? Meine ausgestrahlte Rage wird wohl auch in ihm einen Monolog auslösen. Eigentlich sprechen wir dann eh schon miteinander. Beim zeitgleichen inneren monologisieren, den Dialog findend, stehen wir also hintereinander im Supermarkt, stehen uns gegenseitig im Weg und reden nicht miteinander.
Irgendwie verstehe ich sie beide. Sie vom Pech verfolgt, nie glücklich, will sich nach dem Sex aus dem Fenster stürzen. Er am positiven Denken knapp vorbei, die ewige Suche nach etwas Halt und Ruhe für ihn (lebens-)sinngebend. Und trotzdem lache ich, wie ich selten gelacht habe. Vielleicht muss das Bier nach dem Stück etwas schneller als üblich getrunken werden – ich will das Stück ja nicht zu sehr an mich ranlassen. Meine Parallelmonologe werde ich nun ablegen und nur noch an das Lachen denken. Ob du das willst, darfst du selbst entscheiden – und zwar am 19./26./27. März oder dem 01./02. April in der Arche*Ahoi. Reservierungen hier.
Beitragsbild: © Dino Bossnini