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Wölfe in Tirol 1/2 – Die Schaffung eines politischen Problems

Dass die Frage um den Umgang mit Wölfen besonders in Tirol meist jenseits des wissenschaftlichen, sondern vielmehr auf dem emotionalen Parkett ausgefochten wird, wurde in den vergangenen Jahren oft deutlich. Dass die Rückkehr der Vorfahren der Hunde auch Chancen bietet und allgemein einen positiven Einfluss auf das Ökosystem ausüben kann, wird dabei oft „vergessen“. Doch wie genau können Wölfe die Landschaften um sich verändern und was bedeutet das für Tirol?

Wölfe als Teil eines funktionierenden Ökosystems

Dass Wölfe Raubtiere sind, steht außer Frage. Ebenso, dass sie nach dem Bären die größte im mitteleuropäischen Raum heimische Raubtierart sind. Das bedeutet allerdings auch, dass dem heimischen Ökosystem seit ihrer Ausrottung große Raubtiere fehlen. Im Yellowstone National Park in den USA wurden die Folgen der Wiederansiedlung der Tiere genau beobachtet: Die Ausrottung des Wolfes dort vor etwa 100 Jahren führte zu einer Reihe von negativen Konsequenzen, die von einer Reduktion der Wasserqualität bis hin zu weniger Beeren und Wiesenblumen und folglich weniger Singvögeln reichten. Als in dem Nationalpark vor fast dreißig Jahren wieder Wölfe angesiedelt wurden, wurden die Veränderungen wissenschaftlich erforscht. Mit dem Aussetzen der Wölfe begann eine erstaunlich schnelle Veränderung, die zu gesunderen Wildtierbeständen, mehr Biodiversität bei Tieren und Pflanzen und saubereren Flüssen führte. Laut dem Verein CHWOLF, der sich dem Schutz der Wölfe und dem friedlichen Zusammenleben von Menschen, Nutztieren und Wölfen in der Schweiz verschrieben hat, ist zu erwarten, dass eine Wiederansiedlung von Wölfen in unseren Breiten ähnliche positive Auswirkungen auf pflanzliche und tierische Umwelt haben wird.

Der Mythos vom „bösen Wolf“ und die Schaffung eines politischen Problems

Diese Einstellung scheint allerdings weder in der politisch geführten Debatte um die Tierart noch bei der Bevölkerung Fuß gefasst zu haben. Herdenschutz wird als Geldverschwendung gesehen, dass Wölfe vom Aussterben bedroht sind, wird angezweifelt. Sowohl Politik als auch Medien vom ORF bis zur Krone sprechen von „dem Wolf“, als ob es sich um ein einziges Tier handle, das für alle Risse verantwortlich sei („Wie gefährlich ist der Wolf? Eine Frage, die derzeit stark polarisiert“, ORF Niederösterreich; „Jagd auf Wolf erleichtert: Tirol erklärt alle Almen zum Schutzgebiet“, Kurier;)  – diese Formulierung wurde im vorliegenden Text bewusst vermieden. In einer Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Kärnten wird von einer „unkontrollierten Ausbreitung“ gesprochen, ungeachtet des immer noch vorhandenen Status der Wölfe als streng geschützter und bedrohter Tierart.

Obwohl Wölfe sehr lange ausgestorben waren, sind sie Teil der österreichischen Allgemeinkultur. Besonders in Märchen werden sie zu menschenfressenden Ungeheuern, die Menschen mit List und Tücke überfallen. Dass für derartige Geschichten keine reale Grundlage besteht, steht außer Frage. Statistisch sei die Gefahr, die von Wildschweinen ausgehe, weit größer. Trotzdem können sich viele Menschen nicht von diesen Horror- und Gruselgeschichten für Kinder lösen, was sicherlich dazu beiträgt, das Thema Wölfe zu einem emotionalen zu machen. Gleichzeitig geht es auf politischer Ebene um die Stimmen der betroffenen Landwirt*innen, die durch das Auftreten eines großen Raubtiers verunsichert sind. Folglich wurde das Thema in den letzten Jahren von einigen politischen Parteien hochgekocht und die Problematik weit überbewertet.

Wölfe sind immer noch eine seltene und scheue Tierart

Dabei wird selten beachtet, dass die Gefahr, die von der geschützten Tierart Wolf ausgeht, immer noch – ebenso wie die Anzahl von Wölfen, die sich in heimischen Gebieten aufhalten – verschwindend gering ist. In ganz Österreich sind laut Österreichzentrum Bär Wolf Luchs weniger als 10 Rudel nachgewiesen, und nur bei drei Rudeln eine erfolgreiche Fortpflanzung. Die meisten Risse stammen zwar von Einzeltieren, die verweilen allerdings meist nicht, sondern ziehen weiter und stellen damit keine langfristige Gefahr dar.

Außerdem gibt es durchaus Staaten, in denen ein überwiegend gewaltfreier Umgang mit den Tieren gelingt, und es existiert viel wissenschaftliche Forschung zum Thema. Eine emotionale Führung der Diskussion, wie sie in Tirol stattfindet, scheint also unnötig. Nach derzeitigem Stand wird ein Großteil der Bevölkerung nie einen oder mehrere Wölfe in freier Wildbahn zu sehen bekommen.

Foto: https://unsplash.com/de/fotos/graue-wolfe-in-der-nahe-von-baumstammen-ghtTSfjSBoE; https://unsplash.com/de/@cragaar

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