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Radikale Poesie

So kann dieses Projekt wohl verstanden werden: Neuer Druck zur Leidenschaft. Denn in Zeiten, in denen bequemere Beschäftigungen uns schon in der eigenen Hosentasche auflauern, braucht es Zwang zur Leidenschaft. Braucht es eine Ohrfeige, um das eigene Kunstkontingent zu erfüllen. Braucht es radikale Poesie. Nicht in ihren Aussagen, wohl aber in ihrer Schaffensart.

Denn es gäbe doch so viel zu berichten, so viel zu schaffen über diese Zeit. Nur gibt es dann eben auch zu wenig Zeit. Und obwohl den meisten Kunstschaffenden bekannt ist, dass diese Genugtuung, dieses schüchterne Glück, welches da am Ende des Schaffens auf einen wartet, sich doch um so vieles reicher anfühlt als das stumpfe Erwachen aus dem eigenen Social Media Feed, so scheint es trotzdem um einiges bequemer, den letzteren Weg einzuschlagen. Denn es sind nicht wir, die sich geändert haben. Es sind vielmehr unsere Beschäftigungen, die in den letzten 20 Jahren bis ins letzte Pixel optimiert wurden, um uns festzuhalten. Uns zu binden. Unsere Zeit zu monetarisieren. Wer daheim sitzt und schreibt, der bringt kein Geld, bringt keine Likes, Views oder Daten. Mit diesem Wissen fordern uns digitale Super-Konzerne zum Kampf auf. Zum Kampf um unsere Zeit. Unsere Aufmerksamkeit.

Doch trotz der Entwicklung mächtigster Zeitbindemittel scheint in uns Individuen langsam etwas zu wachsen. Wenn auch nicht immer Widerstand, dann doch meist Erkenntnis. Ein schwer begreifbares Gefühl der stillen Abneigung gegen plumpen Konsum digitaler Inhalte. Ein kleiner Aufschrei im Meer des Lärms. Es werden Bildschirmzeiten eingestellt, Apps gelöscht und eigene Ultimaten entworfen – manchmal mit Erfolg. Trotzdem scheint mir dieses zaghafte Aufbegehren nur der Anfang zu sein. Noch hindert uns unsere kollektive Schüchternheit daran, uns zu fragen, ob einzelne Konzerne ganze Generationen für Profit in eine digitale Sucht getrieben haben. Wer nun aber zu schüchtern ist zu sprechen, der schreibt. Schreibt, was nicht gesagt werden kann. Dichtet, wenn Denken nicht mehr auszureichen scheint. Erschafft, wenn Konsum nur leerer werden lässt.

Also erschafft! Zwingt euch zum Erschaffen. Erschafft radikal. Erschafft poetisch. Erschafft radikale Poesie. Denn eure Zeit schreit danach. Schreit nach Erschaffern, nach Entsagern. Schreit nach Zwang zur Leidenschaft, nach radikaler Poesie!

~Dominik Hold

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