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INSIDE – eine Filmempfehlung

Ich steige in den Himmel über den Hügel“

Wer Psychothriller liebt, ist hier richtig. Wer Psychothriller mit Willem Dafoe in der Hauptrolle liebt, ist hier noch viel richtiger. Der Anfang 2023 veröffentlichte Film “Inside” hat es in sich – und zwar nicht nur im übertragenen Sinne: Als der Kunstdieb Nemo, dessen Name wir zwar nie erfahren, sondern nur aufgrund der Filmbeschreibung wissen, in das Luxuspenthouse eines Kunstsammlers einbricht, verriegelt das Sicherheitssystem automatisch alle möglichen Ausgänge und Nemo steckt fest. Eine Irrfahrt zwischen Überlebenskampf und Kunst beginnt.

Überlebenskampf macht kreativ

Das Setting und die Kameraführung des Psychothrillers sind sehr besonders. Der Film arbeitet mit vielen stillen, langen und ruhigen Aufnahmen – entgegengesetzt zu der heute üblichen Darstellung mit schnellen Szenenwechseln und Schnitten. Immer wieder taucht man als Betrachter*in mehrere Sekunden lang in die Welt berühmter Kunstwerke ein, wie zum Beispiel die von Egon Schiele, Adrian Paci, oder dem bekannten Bauhaus-Sessel. Musik wird im Film nur selten eingesetzt und wenn, dann gezielt: Es entsteht ein nervenaufreibendes Spannungsverhältnis zwischen Stille und bewusst gewählter Melodie. Doch nicht nur der Film an sich und das Ambiente sind ein Kunstwerk – auch Nemo muss kreativ werden, um sein Überleben zu sichern. Nach vielen Fehlversuchen erkennt er, dass es nur eine Möglichkeit gibt, um aus dem goldenen Käfig auszubrechen. Doch die Verwahrlosung macht ihn zusehends verrückter. Tage und Wochen vergehen. Nicht zu letzt die Fische im Aquarium bewahren ihn vor dem Verhungern. Nahaufnahmen vom strapazierten und ausgehungerten Körper Nemos vermischen sich mit dem Sonnenaufgang über den Wolkenkratzern New Yorks und den Kunstwerken, die auf der Wand hängen. Auch Nemo wird irgendwann zum Künstler, malt und zeichnet sein eigenes Kunstwerk an der Wand, geprägt von seiner Verzweiflung, von seinem Wahnsinn. „Ich steige in den Himmel über den Hügel“ sind die letzten Worte, die wir immer und immer wiederholt von Nemo zu hören bekommen – und die letzte Information, die wir als Zuschauer*innen erhalten.

Eine Wohnung – viele Interpretationsspielräume

Der Psychothriller lässt einen mit vielen unbeantworteten Fragen zurück und ermöglicht daher einen großen Spielraum an Interpretationen. Es wirkt, als hätte sich der Regisseur Vasilis Katsoupis bei jeder Szene haarscharf überlegt, welches Bild, welchen Schriftzug, welches Licht-Schatten Verhältnis er in den Fokus rückt. Man ist mit vielen Metaphern und Analogien konfrontiert, bleibt dabei aber dennoch ein wenig im Dunkeln. Der Film ist durch logische Analyse nicht zu erklären, vor allem weil man als Zuschauer*in kaum Informationen über den Protagonisten und die Umstände des Vorfalls erhält. Dieser Psychothriller ist vielmehr selbst ein performatives Kunstwerk, das es zu erleben gilt. Zum Schluss wird der Film ein wenig philosophisch, da er sich mit der Leibe-Seele Beziehung und Fragen dazu auseinander setzt. Dies sorgt zwar für weitere Verwirrung, endet aber dennoch eindrücklich, ganz im Stil des Films. Ein Psychothriller, der zum Denken anregt, der mit und in Kunst, und deren Verhältnis von uns Menschen dazu spielt.

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