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Gegen die Festung Europa – Grenzen Töten Demo am 04.02.

„Menschenfeindlichkeit an den Außengrenzen der Festung Europa sowie im Inneren“ Am Samstag, den 04. Februar sind wieder hunderte Menschen bei der Demonstration „Grenzen töten“ für eine befreite Gesellschaft und gegen das europäische Grenzregime auf die Straße gegangen.

Rauch zieht durch die Straßen Innsbrucks, es riecht nach Silvesterraketen. Aus dem Nebel hallen die Geräusche zündender Pyrotechnik. Halstücher, die über Mund und Nase gezogen sind. Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, darunter Sonnenbrillen. „Ganz Innsbruck hasst die FPÖ“ tönt es aus dem dunklen Nebel. Die Demonstration „Grenzen töten“ zieht an diesem Samstag (04. Februar) durch die Innsbrucker Anichstraße. Als sich der Rauch lüftet, wird die Maria-Theresien-Straße und Innsbrucks beliebtes Fotomotiv mit der beschneiten Nordkette im Hintergrund sichtbar. Polizeibeamte setzten Helme mit Visier auf, bereit im Falle einer Eskalation einzugreifen.

In diesem Jahr nehmen laut Polizeiangaben circa 600 Personen an der Demonstration gegen das „hochmilitarisierte Grenzregime der EU“ teil. Ein schwarzer Block umfasst circa 150 Teilnehmende, zündet Pyrotechnik und bewirft die ÖVP-Zentrale mit Farbbeuteln. Die Veranstalter*innen der Demonstration weisen immer wieder darauf hin, keine Pyrotechnik zu zünden.
Auch in diesem Jahr verliert das Thema der „Festung Europas“ und unwürdiger Unterbringungen für Geflüchtete nicht an Brisanz. Erst im November wurden Geflüchtete bei eisiger Kälte in Zelten untergebracht. Bei einer Hausbesetzung hatten Aktivist*innen die würdige Unterbringung gefordert. Denn Tirol habe genug Platz, um Menschen nicht in Zelten, Containern oder Baracken unterbringen zu müssen.

Nach Ausschreitungen 2021 in diesem Jahr im Allgemeinen friedlich

Um 14 Uhr begann die Demonstration am Innsbrucker Marktplatz. Redebeiträge von verschiedenen Aktivist*innen und Organisationen wie Initiative Bürglkopf schließen und Fluchtpunkt forderten einen menschenwürdigeren Umgang mit Personen auf und nach der Flucht. Die Stimmung bei der Anfangskundgebung ist angespannt. Die Menschen scheinen auf alles gefasst. 30 Ordner*innen begleiten den Demonstrationszug und teilen zu Beginn Informationszettel über die Demo und zur Rechtshilfe aus. Es gibt eine Rechtshilfenummer und einen Stift, um sich diese auf den Arm zu schreiben. Die Nummer ist den ganzen Tag und noch bis zum nächsten Mittag besetzt.

Am blauen Himmel fliegt eine Drohne, die die Demonstration auch die nächsten Stunden begleiten wird. Bereits im Vorjahr kam die Drohne bei der Demo zum Einsatz. Zusätzlich standen 2022 zwei Wasserwerfer bereit. Kameras hingen entlang der gesamten Demo-Route. Nach den Vorfällen aus dem Jahr 2021 waren diese Vorkehrungen nicht verwunderlich. Damals wurde die Demonstration wegen „Nichteinhaltung der Coronamaßnahmen“ angehalten und aufgelöst. Die Polizei kesselte rund 60 Personen ein, nahm 15 Personen fest und setzte Pfefferspray ein. Das Vorgehen der Polizei in diesem Jahr hatte Konsequenzen. Das Landesverwaltungsgericht verurteilte die Tiroler Landespolizei wegen rechtswidrigen Vorgehens. Nachdem die Demonstration 2022 friedlich verlief, stellt sich die Frage, welche Maßnahmen in diesem Jahr noch verhältnismäßig seien. Am Samstag, den 03. Februar sind insgesamt 280 Beamt*innen vor Ort. Die Polizei zieht eine positive Bilanz: „Die Versammlung verlief im Allgemeinen friedlich und es kam zu keinen größeren Zwischenfällen.“

Die Route der Demonstration verlief vom Marktplatz durch die Innenstadt vorbei an den Parteizentralen der ÖVP, FPÖ und der SPÖ. Es scheinen sich nicht alle Demonstrationsteilnehmer*innen zu identifizieren. Neben Phrasen wie „Hoch die internationale Solidarität“ wird auch immer wieder „Ganz Innsbruck hasst die Polizei“ skandiert. Nach einigen Redebeiträgen am Hauptbahnhof verlor die Demonstration an Stärke und verlor viele Teilnehmende. Die Demonstration marschierte weiter zur Landespolizeidirektion in der Kaiserjägerstraße. Dieser Wegpunkt war den Veranstalter*innen „wichtig, da hier immer wieder geflüchtete Personen in Schubhaft sitzen“.

Handgreiflichkeiten nach Identitätsfeststellung

Als sich die Versammlung dem Ende neigt und am Vorplatz des Landestheaters ankommt, lockert sich die Stimmung. Es gibt frisches afghanisches Essen gegen Spende. Das gesammelte Geld schickt Jawid Mazari an Familien in Afghanistan. Er selbst ist seit vielen Jahren in Österreich, kämpfte lange um seine Aufenthaltserlaubnis. Inzwischen kocht er regelmäßig für viele Veranstaltungen, besonders politische. Er bietet Catering an und sein großer Traum ist es, ein afghanisches Restaurant in Innsbruck zu eröffnen. Seine Augen strahlen, er freut sich über jede Person, der er an diesem Samstagnachmittag eine große Kelle aus seinem mobilen Essenswagen geben darf.
Unerwartet kommt Unruhe auf, Menschen rennen in Richtung Sowi-Wiese. Alle rufen durcheinander, fragen, was gerade passiert. „Da wird jemand von den Bullen festgehalten“. Angekommen, bietet sich der Blick auf eine Menge von Menschen. Circa 150 Menschen drängen sich um etwas oder jemanden, das von außen nicht erkennbar ist. „Lasst sie frei! Lasst sie frei“ skandieren die Demoteilnehmer*innen. In der Menge sind die Helme einiger Polizist*innen erkennbar. Diese großen Kopfschutzschalen reihen sich bereits den ganzen Tag aneinander. Insgesamt 280 Beamt*innen sind an diesem Tag zur Begleitung der Demo vor Ort. Zusätzlich wurden sie von einer Drohne aus der Luft unterstützt. Die Menge setzt sich in Bewegung, Menschen, Teilnehmer*innen wie Polizei schubsen sich gegenseitig. Einige Menschen scheinen gewaltbereiter, andere versuchen lautstark zu deeskalieren. Laut der sozialistischen Jugend, die die Demonstration angemeldet hatte, stellte die Polizei zu diesem Zeitpunkt Identitäten „wegen Verstößen gegen das Pyrotechnikgesetz“ fest. Während der Handgreiflichkeiten kommt von links eine breite Reihe Uniformierter, ausgestattet mit Handschuhen, Schlagstöcken und Helmen mit Visier. Bedrohlich scheinen sie die Situation zu beobachten, kommen langsam näher. Bereit, im Falle einer Eskalation einzuschreiten.

Die Auseinandersetzungen an der Sowi lösen sich letztendlich auf, die Kundgebung kann fortgesetzt und friedlich beendet werden. Die Sozialistische Jugend glaubt „einen gesellschaftlichen Diskurs angestoßen zu haben, hin in Richtung menschenwürdige Asylpolitik“.

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