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Wie macht man junge Kunst und Kultur? Dachziegelflow-Obmann im Gespräch

Paul Prost ist einer der beiden Obleute des Innsbrucker Vereins Dachziegelflow (DZF). Wir trafen uns im Atelier des Vereins, das sich etwas abgelegen hinter dem Westbahnhof in einem Bürogebäude befindet.

Die Zeitlos: Was ist Dachziegelflow?

Paul Prost: Dachzieglflow ist sehr viel und sehr viel gewachsen. Wir sind aus einer Gruppe von Leuten entstanden, die selbst irgendwie angefangen hat, Kunst zu machen, und wir haben bemerkt, wir brauchen dafür einen Ort. Wir haben Open-Mics damals noch bei mir im Wohnzimmer gemacht zu siebt. Aber dann haben immer mehr Leute Interesse daran gehabt und voll viel Musik gemacht oder zusammen gejammed sowas. Wir dachten, wir brauchen einen Ort, um das zu machen, und dann haben wir uns einen Ort gesucht und alle möglichen Leute dazugeholt. Und dann haben wir eigentlich gesagt, wir wollen eine Plattform sein. Eine Plattform sein, wo andere Leute, die kein Geld und nicht diesen Ort haben, praktisch auch ihre Kunst ausüben können und sich gegenseitig inspirieren und motivieren können. Daraus ist dann eigentlich eine Gemeinschaft geworden. Am meisten wert ist an dem, was wir machen, allerdings das, dass sich so viele Leute kennenlernen und treffen und Sachen zusammen machen.

Warum Dachziegelflow?

Es Gibt keinen besonders guten Grund. Also es hat angefangen, als wir gejammed haben. Da war Ziegel ein guter Reim auf Spiegel. Irgendwann haben wir nach einem Namen gesucht. Das war gar nicht die Idee, dass wir aus dem Reim den Namen machen, aber wir brauchten einen Namen für den Verein und haben das mal in die Runde geworfen und irgendwie ist dazu eine Philosophie entstanden, dass wir halt als ganz viele einzelne Ziegel das gemeinsame Dach bilden und die Leute praktisch bergen. Und deswegen hatten wir dann das Gefühl, dass es eigentlich doch ein guter Name ist und uns gut repräsentiert. 

Was erwartet ein neues Mitglied? 

Ein bisschen das, was es möchte eigentlich. Das ist ein Raum der Möglichkeiten. Also wir sind alle gleichwertig und jede*r der*die da reinkommt kann eigentlich den Ort mitgestalten wie er*sie möchte, kann die eigene Kunst produzieren. Du wirst ein bisschen in diese Gemeinschaft reingeworfen und es erwartet einen auch ein bisschen Arbeit und natürlich fallen irgendwie Dinge an. Die Events müssen organisiert und geplant werden und es ist immer gut, wenn man irgendwie auf neue Ideen kommt und dadurch hat man aber auch viel Raum zu gestalten und Dinge zu machen und mitzubewegen. Und hier irgendwie so diese ganze Energie mitzubekommen und viele Projekte umzusetzen.

Du hast gesagt, es sind alle gleichwertig. Trotzdem braucht es gesetzlich für einen Verein einen Vorstand. Macht bei euch der Vorstand die meiste organisatorische Arbeit oder ist die Arbeitsteilung mit den Mitgliedern* groß?

Das ist schon ziemlich Arbeitsteilung eigentlich. Also wir haben in unseren Statuten natürlich alle Positionen des Vorstands festgelegt. Aber es kommt immer ein bisschen drauf an, wer gerade wie viel Kapazitäten hat. Wir machen das ehrenamtlich und jede*r von uns hat noch Studium oder Beruf und deswegen ist immer so wer gerade kann, macht was. 

Die hohen Mietkosten in Innsbruck sind ein Problem für die Kulturlandschaft, vor allem für kleinere Kulturbetriebe und Vereine.  Wie seid ihr zu diesem Standort in der Feldstraße gekommen?

ÖH-Wohnungsbörse. Wir haben einfach gegoogelt „Atelier Innsbruck“ und dann sind wir ganz schnell darauf gekommen, dass wir uns Ateliers nicht leisten können. Dann sind wir zu Büroräumen übergegangen und das haben wir als Büroraum gefunden und das war halt gnadenlos unschlagbar günstig. Am Anfang war‘s komplett kahl, aber 6 Euro pro Quadratmeter, das ist halt richtig gut. Wir sind hier draußen, deswegen stören wir meistens niemanden. Wir können hier Schlagzeug spielen. Tagsüber können wir hier echt viel machen, ohne irgendjemanden auf die Nerven zu gehen.

Auf der ÖH-Wohnungsbörse habt ihr gerade ein Inserat für den Dachziegelflow als Kunstraum geschalten. Ist die Finanzierung eures Vereins eine der größten Herausforderungen?

Also es ist so eine Grundherausforderung, die natürlich immer mitschwingt und die immer damit variiert, wie viele Mitglieder wir gerade haben. Wer ist gerade fluide genug, um das praktisch irgendwie mitzubezahlen, wie laufen die Veranstaltungen und ja, jede*r von uns buttert jeden Monat Geld rein.

Habt ihr fixe Mitgliedsbeiträge?

Ne. Wir gucken, dass die Miete immer gedeckt ist, je nachdem wie viele Gelder reingekommen sind und wie viele Mitglieder wir sind. Danach wird dann praktisch der Mitgliedsbeitrag angelegt und dann, wenn irgendwas angeschafft werden muss oder sowas, dann wird es natürlich einfach alles noch mit reingelegt.

Das ist sich bis jetzt immer ausgegangen?

Ja! Weil die Leute, die hier wirklich mitmachen, also wir sind alle ein bisschen Idealisten, so weil wir merken, dass es uns sehr viel gibt und den Menschen sehr viel gibt. Also wir machen es ja gerne und irgendwie kriegen wir es immer hin.

Kunst und Kultur sind oft politisch, müssen es aber nicht unbedingt sein. Seid ihr auch aktivistisch tätig oder ist der Dachziegelflow ein unpolitischer Ort?

Wir haben ganz am Anfang festgelegt, dass wir nicht politisch sind als einen unserer Grundwerte. Das hat ganz schnell nicht mehr funktioniert. Wir wollten eigentlich ein unabhängiger Kulturverein sein und uns politisch nicht einmischen. Das hat nicht so gut funktioniert, sobald dann zum Beispiel die Problematik mit Afghanistan* aufgetaucht ist, hatten wir das Gefühl, wir müssen irgendwas machen und dann haben wir auch eine Spendenaktion gestartet. Von daher würde ich sagen: Politik ist nicht einer unserer Hauptmerkmale, aber es fließt halt einfach mit, da kommen wir nicht vorbei. Aktivistisch sind wir nicht. Also wir organisieren zum Beispiel keine Demonstrationen. 

Nur politisch und unabhängig zu sein, also nicht parteipolitisch, würde grundsätzlich gehen?

Ja vielleicht eher, dass man sich nicht positioniert. Am Ende des Tages sind wir, wer wir sind, und das leben wir auch einfach aus und legen uns eigentlich keinen großen Filter auf. Das heißt, wenn wir zu so einem Thema was zu sagen haben, dann tun wir‘s.

Wie oft finden eure Open-Mic-Sessions statt?

Alle zwei Wochen, also sehr regelmäßig.

Wer kann dort auftreten und wer tritt auf?

Jede*r kann auftreten, ist ziemlich egal, was du machst. Also am Anfang war es automatisch so, dass es hauptsächlich unsere Freund*innen und unser Bekanntenkreis war. Das hat sich seit einem halben / dreiviertel Jahr in Folge verändert. Es kommen alle möglichen Leute, die über verschiedene Kanäle von uns gehört haben, und die machen alles Mögliche. 

Also wir haben Leute, die Lyrik, normale Kurzgeschichten, Musik, aber Musik aller Art machen. Also akustisch, Jams, Improvisation, wir hatten Techno Artists, die hier ihre neuen Tracks gezeigt haben, dann machen wir das Licht aus und machen Strobo an und alle stehen auf und tanzen. Also man kann wirklich alles machen, es ist eine freie Bühne.

Du meintest, es hat sich ein bisschen gewandelt. Wie? 

Am Anfang war‘n es fast mehr Texte als Musik, dadurch, dass wir mit vielen Philosophie-Studierenden anfangen haben. Und dann ist immer mehr Musik dazugekommen. Jetzt gerade ist von uns aus sehr viel Musik, weil wir sehr viele Musiker dabeihaben. Ja, es ist aber stetig im Wandel. Man kann nie sagen, dass es gerade so ist oder so, weil es verändert sich jedes Mal. 

Wie stellst du dir Dachziegelflow in 5 Jahren vor?

Wir haben große Ideen auf jeden Fall. Also wir haben auf alles Mögliche Lust. Wir hätten richtig Lust, einmal ein Festival zu veranstalten. Wir hätten Lust, mehr Veranstaltungen zu machen in ganz Innsbruck und irgendwie mehr Leute zu erreichen, doch ein bisschen aus dem Ort rauszukommen. Wir hätten Lust, den Ort zugänglicher zu machen. Weil dadurch, dass wir nicht so oft so viel Zeit haben, haben wir nicht die Möglichkeit, hier regelmäßig Leute reinzulassen, sondern eben nur hauptsächlich bei den Veranstaltungen. Und wir wollen aber, dass das es sich irgendwie öffnet. Dass es auch ein bisschen mehr zum Treffpunkt werden kann. Wir wollen, dass das Studio für die breite Masse nutzbar ist. Also wir haben jetzt ein professionell ausgebautes Tonstudio. Der Klang ist richtig gut. Das wollen wir einfach irgendwie an die Menschen bringen. Wir hätten Lust, vielfältigere Veranstaltung zu machen, ja vielleicht ein bisschen System reinzukriegen am Ende des Tages. 

Was sagt dir dein Gefühl? Seid ihr in fünf Jahren noch in diesen Räumlichkeiten oder wo anders?

Kann man nicht sagen. Absolut keine Ahnung.

Vielen Dank für das Gespräch!

*Die humanitäre Krise, ausgelöst durch die erneute Machtergreifung der Taliban im August 2021.  

Anmerkung der Redaktion: Paul Prost ist ebenfalls ordentliches Mitglied des Vereins Die Zeitlos

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