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Unsere Welt geht unter

Die Fotoausstellung Drowning World – Submerges Portraits von Gideon Mendel zeigt Portraits von Menschen aus aller Welt, die gerade mit den Folgen des Klimawandels kämpfen. Der Mitorganisator des Journalismusfests 2022, Benedikt Sauer, wollte diese Bilder unbedingt nach Innsbruck holen.

Egal ob jung oder alt, ob Frau, Mann oder Kind, ob weiß oder BIPoC – sie alle vereint der Verlust ihrer Existenz, wenn sie vor Gideon Mendels Linse stehen. Der Südafrikaner fotografiert seit 2007 Menschen unmittelbar während Flutkatastrophen auf der ganzen Welt. Dafür war er bereits in Großbritannien, Haiti, Pakistan, Australien, Thailand, Nigeria, Deutschland, auf den Philippinen, in Brasilien, Bangladesch, den USA und Frankreich unterwegs und hat sich mit seiner Kamera selbst in Lebensgefahr begeben. Doch er hat eine klare Motivation für deine Arbeit.


„Die Zahl an verheerenden Naturkatastrophen nimmt immer weiter zu, aber damit auch die Zahl derjenigen, die den Klimawandel leugnen. Daher fühle ich mich persönlich verantwortlich, dass mein Projekt laut ist und Opfern ein Gesicht gibt.“

– Gideon Mendel

Leid, Verzweiflung, Gänsehaut

Mir als Betrachterin sind die Fotos der Menschen sehr nahe gegangen. Denn ihr Blick geht starr in die Kamera. Manchmal kann ich aus der Mimik der Protagonist*innen lesen, wie sie sich fühlen, andere Gesichter schauen mich auffordernd an. Mit diesen Fotografien muss ich interagieren, wegschauen bringt nichts. Denn jedes Foto basiert auf der Emotion, die mir das Opfer unweigerlich übermittelt. Sei es Verzweiflung, Angst oder der stumme Schrei nach Hilfe. Zudem steht neben jeder Fotografie der Name des Flutopfers und der Aufnahmeort. Douglas, Florence, Joao – sie werden dadurch zu Subjekten und bleiben nicht Teil der “hunderttausend Opfer”, wie es häufig in Nachrichten zu hören ist. Der Ausstellungsort, Innsbrucks Dom St. Jakob, könnte grotesker nicht sein: Einerseits ist er gerade ein Sanierungsfall, wie unser gesamter Planet auch. Andererseits sind der goldene Prunk, die barocken Fresken, so mächtig, so wertvoll – dass sie im krassen Gegensatz zum kompletten Verlust allen Hab und Guts der Portraitierten stehen. Vielleicht liegt es an der kühlen Kirche, dass ich bei der Betrachtung eine Gänsehaut bekomme. Ich glaube nicht.


„Viele meiner Protagonisten haben bis fünf Minuten vor der Aufnahme geweint und sie weinen sofort wieder, nachdem ich sie fotografiert habe. Das können die reichsten oder ärmsten Menschen sein, in so einer Situation sind alle verletzlich.“

– Gideon Mendel

Gideon Mendel

Gideon Mendel ist 1959 in Südafrika geboren, wo er in den letzten Jahren der Apartheid mit der Fotografie begonnen und friedliche Proteste dokumentiert hat, die mit brutaler Gewalt durch den Staat beendet wurden. Seitdem fühlt sich Mendel als Fotograf dazu verpflichtet, wichtige Themen unserer Zeit festzuhalten und setzt sich zudem aktivistisch für sie ein. Nach seinem Umzug nach London in den frühen 1990ern hielt er in seinen Portraits HIV-/Aids-positive Menschen und ihre durch Ausgrenzung und von der Krankheit gezeichneten Gesichter fest. Seit 2007 arbeitet Gideon Mendel an Drowning World Submerged Portraits und dokumentiert die Folgen des weltweiten Klimawandels. Seit 2020 arbeitet er zudem an der Fotostrecke Burning World, in der er die globalen Waldbrände festhält. Mit seinen Portraits hat er es in Magazine wie National Geographic, The Guardian Weekend Magazine, The Independent Magazine, The Sunday Times Magazine und Geo geschafft und unter anderen den Amnesty International Media Award sowie den Greenpeace Photo Award gewonnen.

Mehr Fotos und weitere Infos zu seiner Arbeit findet ihr auf Gideon Mendels Homepage.

Gideon Mendel ist der Inhaber aller Rechte an seinen Fotografien. Für diesen Artikel durfte sie die Autorin mit Mendels Erlaubnis nutzen.

Von Donnerstag, 12.05.2022 bis Sonntag, 15.05.2022 fand in Innsbruck das Internationale Journalismusfest statt. Auf vielen verschiedenen Veranstaltungen wurde zu komplexen und aufschlussreichen Themen diskutiert und informiert. Die Zeitlos lässt diese facettenreichen Tage Revue passieren.

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