Vieles hat sich durch Corona verändert: Wie wir uns begrüßen, wie wir arbeiten und lernen, unser Blick auf die globalisierte Wirtschaft, unser Verständnis davon, welche Berufsgruppen für die Gesellschaft unverzichtbar sind. Auch auf die Sprache wirkt sich die Pandemie aus. Wissenschaftler*innen am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache erforschen diesen Sprachwandel seit Beginn der Corona-Krise.
Neue Situationen und Konzepte benötigen geeignete Benennungen. So sind in den letzten zwei Jahren zahlreiche Wortneuschöpfungen entstanden oder Begriffe aus anderen Sprachen übernommen worden (zum Beispiel „Ampelkommission” oder „Social Distancing”). Andere Wörter haben durch Corona einen Bedeutungswandel erfahren oder werden plötzlich viel öfter verwendet („Kontaktperson”, „Homeschooling”). Und wir alle kennen heute deutlich mehr Fachbegriffe aus Medizin und Statistik als vor Beginn der Pandemie („Reproduktionszahl”, „Tröpfcheninfektion”). Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache hat eine Liste mit rund 2000 pandemiebezogenen Ausdrücken zusammengestellt: von A wie »Abflachen der Kurve« bis Z wie »Zweitimpfling«. Sofern sie sich im allgemeinen Sprachgebrauch dauerhaft festsetzen, steht die Aufnahme in das Neologismenwörterbuch des Instituts bevor. Die Zeitlos hat hier ein kleines Corona-ABC zusammengestellt.
A wie Ausgangsbeschränkung
Vor Corona hätte sich wohl niemand vorstellen können, dass ganz Europa unter Hausarrest gestellt wird und die eigene Wohnung nur noch aus bestimmten Gründen verlassen werden darf. Insgesamt galten die Ausgangsbeschränkungen in Österreich knapp über 100 Tage lang, im Osten des Landes und für Ungeimpfte noch länger. Melbourne hält den Rekord für den weltweit längsten durchgehenden Lockdown. 262 Tage lang galten dort Ausgangsbeschränkungen.
B wie Booster
Der Begriff kommt ursprünglich aus der Raumfahrttechnik. Ein Booster ist hier eine Hilfsrakete, die den Schub während des Starts verstärkt und dann abgeworfen wird. Beim Coronavirus gleicht die Booster-Impfung die schwindende Wirksamkeit der Erst- und Zweitimpfung aus und erhöht den Impfschutz. Lange Zeit war unklar, ob eine dritte Auffrischungsimpfung überhaupt notwendig ist. Seit kurzem empfiehlt das nationale Impfgremium für Risikogruppen einen zweiten Booster, also eine vierte Impfung.
C wie Covid-19
Covid-19 ist die akute infektiöse Erkrankung, die durch das erstmals im Dezember 2019 nachgewiesene neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2, eine Abkürzung für „Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2”) ausgelöst wird. Covid-19 steht für „Coronavirus Disease 2019“.
D wie Distanzbier
Gemeinsam mit Freund*innen in einer Bar etwas trinken gehen – lange Zeit blieb uns das verwehrt. In einigen Nachbarschaften beziehungsweise Freundeskreisen hat sich jedoch das Distanzbier durchgesetzt: Man trifft sich im Freien unter Einhaltung der Abstandsregeln und prostet sich aus der Ferne, etwa über einen Gartenzaun zu.
E wie Ellenbogengruß
Da von Handschlag, Umarmung und Wangenküsschen abgeraten wurde, entstanden während der Pandemie neue Begrüßungsrituale: neben dem Ellenbogengruß etwa auch der Fußgruß. Die antiquierte Verbeugung erfreut sich ebenso wieder größerer Beliebtheit. Und selbst Staatsoberhäupter sind inzwischen cool genug für die Ghetto-Faust.
F wie freitesten
Eine klassische pandemiebedingte Wortneuschöpfung. Denn auch wenn Corona-Tests nicht die ganz große Freiheit bieten, so öffnen sie dennoch Türen – etwa aus der Isolation und der Quarantäne. Nach zehn, nach sieben, nach fünf Tagen, mit PCR- oder mit Antigentest, als Schulkind oder Beschäftigte*r in der kritischen Infrastruktur, geimpft, geboostert: Für wen gerade was gilt, ist – wie so häufig in dieser Pandemie – unübersichtlich.
G wie 3G
Geimpft, genesen, getestet. Nur wer mindestens eine dieser Voraussetzungen erfüllt, durfte ab Mai 2021 in Österreich Gastronomiebetriebe, Hotels und Veranstaltungen besuchen. Später kamen dann 2G (geimpft oder genesen), 2,5G (geimpft, genesen oder PCR-getestet), 2G+ (geimpft oder genesen plus zusätzlich getestet) und 1G (geimpft) dazu. Die EU einigte sich auch auf einen europaweit gültigen 3G-Nachweis: den Grünen Pass.
H wie Hamsterkauf
Die leergekauften Klopapierregale in den Supermärkten werden wohl in das kollektive Gedächtnis eingehen. Sie sind ein Sinnbild für die apokalyptische Stimmung, die im Frühling 2020 herrschte. In Deutschland wiederholte sich die Szene aufgrund des Ukraine-Krieges nun: In vielen Supermärkten gab es kein Öl und kein Mehl mehr zu kaufen, obwohl heute wie damals keine reelle Gefahr eines Versorgungsengpasses besteht.
I wie impfen
Das Impfen an sich ist natürlich nichts neues, aber so viel über das Impfen gesprochen wurde noch nie. Deshalb sind viele neue Komposita entstanden: impfwillig, Impfdrängler, Impfneid, Impfverweigerer, Impfskeptiker Impftourismus, Impfprämie, Impfmüdigkeit, Impfstoffnationalismus, Impfbus etc.
J wie Jahrhundertkrise
Auf die Corona-Pandemie war niemand vorbereitet. Seit dem zweiten Weltkrieg hatte keine Krise diese Ausmaße angenommen. Zwei Jahre später sehnen sich alle nach Ruhe und Normalität. Doch kaum scheint sich die Lage an der Corona-Front zu beruhigen, folgt mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine die nächste Jahrhundertkrise. Und auch die Klimakrise hat sich natürlich währenddessen nicht in Luft aufgelöst. Es steht zu befürchten, dass dieses Jahrhundert ein krisenreiches wird.
K wie Kontaktperson
Vor Corona dachte man bei Kontaktpersonen an Geheimdienste, Informant*innen und Action. Jetzt ist eine Kontaktperson jemand, der*die mit einer infizierten Person in Berührung gekommen ist und sich deshalb möglicherweise angesteckt hat. Lange Zeit galten für Kontaktpersonen Quarantäne-Vorschriften. Von Action also keine Spur.
L wie Lockdown
„Lockdown“ meint im Wortsinn eine Ausgangssperre in bestimmten Bereichen. In der Coronakrise steht das Wort als Synonym für die Einschränkung des öffentlichen Lebens, für ein „Herunterfahren“ der Wirtschaft mit dem Ziel, Kontakte und damit Ansteckungen zu vermeiden. Das „Wiederhochfahren“ ist dann die Lockerung.
M wie mütend
Der Begriff ist ein sogenanntes Kofferwort und setzt sich aus müde und wütend zusammen: müde von der Pandemie und wütend über das Hin und Her der Politik. Populär wurde der Begriff nach dem Post einer Ärztin im März 2021, in dem sie ihre Frustration beschrieb.
N wie Nasenbohrertests
Ein Corona-Test mit Abstrich aus dem Nasenrachen ist oftmals eine wenig angenehme Angelegenheit, besonders für Kinder. Für die Schulen wurde aus diesem Grund nach unkomplizierten Alternativen zum Selbermachen gesucht. Die Wahl des österreichischen Bildungsministeriums fiel dabei zunächst auf die „Nasenbohrertests“. Schüler*innen bohren also regelmäßig mit einem Wattestäbchen in der Nase, um einen Antigen-Schnelltest durchzuführen.
O wie Omikron
Der damalige US-Präsident Donald Trump sprach 2020 vom „China-Virus“. Als das Coronavirus weiter mutierte, war zunächst von der „indischen Variante“ die Rede, weil sie dort zuerst auftrat und sich verbreitete. Um den unterschwelligen Rassismus, der sich in den Bezeichnungen verbarg, zu stoppen, verwendete die WHO ab Mai 2021 ausschließlich griechische Buchstaben für die Mutationen. Fünf von der WHO als „besorgniserregend“ eingestufte Virusvarianten des Corona-Wildtyps gibt es bislang: Alpha, Beta, Delta, Gamma und Omikron.
P wie Präsenzveranstaltung
Was vor Corona bei Lehrveranstaltungen an der Uni selbstverständlich war – nämlich, dass Student*innen und Lehrpersonal gemeinsam in einem Raum saßen – wird jetzt extra ausgewiesen. Zwei Jahre Distanzlehre haben dazu geführt, dass es für viele ungewohnt war, wieder in großen Hörsälen physisch anwesend zu sein.
Q wie Quarantäne
Das Wort Quarantäne geht auf die Zeiten der Pest zurück. Damals musste die Besatzung von Schiffen im Hafen vor Venedig 40 Tage (it.: quaranta) lang warten, bis sie das Schiff verlassen durften. Ganz so schlimm wurde es in der Corona-Pandemie nicht. Derzeit beträgt die Quarantäne-Zeit in etwa zehn Tage, ein früheres Freitesten ist aber möglich.
R wie R-Wert
Unter dem “R‑Wert” wird die “Reproduktionszahl R” verstanden. Sie beschreibt, wie viele Menschen eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt. Liegt der R-Wert bei eins, heißt das, dass im Schnitt ein*e Corona-Infizierter* einen gesunden Menschen ansteckt. Liegt der Wert über eins, steigen die Infektionszahlen. Liegt er darunter, sinken sie.
S wie systemrelevant
Als systemrelevant gelten die Berufsgruppen, die für die Gesellschaft wirklich unverzichtbar sind, etwa Ärzt*innen, Pfleger*innen, Verkäufer*innen, Busfahrer*innen oder Feuerwehrleute. Eine vollständige Liste der systemrelevanten Berufe lässt sich nicht erstellen, doch während der Pandemie erhielten plötzlich Berufsgruppen Aufmerksamkeit, die zuvor weniger im Fokus der Öffentlichkeit standen.
T wie Teststraße
Nein, hier werden keine Fahrübungen absolviert oder Autos getestet. Bei Corona-Teststraßen, die während der Pandemie allerorts aus dem Boden schossen, handelt es sich um mobil errichtete, zu durchfahrende oder durchlaufende Stationen, in der ein Coronatest durchgeführt wird.
U wie Übersterblichkeit
Eine Übersterblichkeit liegt vor, wenn deutlich mehr Menschen versterben als in einem bestimmten Zeitraum üblich. Um die durchschnittliche Sterberate zu erfassen, werden über mehrere Jahre hinweg die durchschnittlichen Todesfälle pro Tag errechnet. Gibt es dann einen Ausreißer über einige Wochen hinweg durch zusätzliche Tote, dann ist das ein Indikator für eine Krise. Zum Beispiel für ein schweres Infektionsgeschehen.
V wie virtuell
Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen wurden während der Coronapandemie fast alle Zusammenkünfte in den virtuellen Raum verschoben: der Unterricht an Schulen und Universitäten, Arbeitsbesprechungen, das Feiertagsbier mit Freund*innen, Konferenzen und Fachtagungen, Konzerte, Gottesdienste etc.
W wie Welle
Nicht das Meeresrauschen oder die La-Ola-Welle im Fußballstadion ist damit zu Pandemiezeiten gemeint (Reisen und Großveranstaltungen waren sowieso lange Zeit unmöglich), sondern ein Anstieg der Corona-Neuinfektionen. Eine wissenschaftlich-epidemiologische Definition, ab wann man von einer „Welle“ spricht, gibt es eigentlich nicht.
X –
Y wie Youtubeyoga
Der unangefochtene Lieblings-Lockdown-Sport war zu Beginn der Pandemie wohl das Spazierengehen. Doch auch Yoga am Wohnzimmerteppich erfreute sich während Corona großer Beliebtheit.
Z wie Zoom Fatigue
Videokonferenzen machen schnell müde und fahrig, das haben viele seit Beginn der Pandemie am eigenen Leib erfahren müssen. Fachleute haben diesem Phänomen einen Namen gegeben: Zoom Fatigue, benannt nach der Kommunikationsapp Zoom und dem französischen „fatigue“ für Müdigkeit.