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“Karma is a bitch!” – So einfach ist das leider nicht

Diese Phrase haben wir alle schon mal gehört oder gelesen und der Begriff Karma ist auch sonst gang und gäbe in unserem Sprachgebrauch. Wenn eine Person etwas Unschönes macht oder sagt, denken wir typischerweise so etwas wie „Karma wird sie schon noch holen“. Oder wir hoffen auf karmische Belohnung, wenn wir etwas Gutes tun.

Das karmische Prinzip

Mit derartigen Gedanken und dem populären Spruch in meiner Überschrift geht eine Art Personifizierung von Karma einher. Was es mit dem karmischen Prinzip wirklich auf sich hat wissen aber die wenigsten. Die meisten denken, Karma wäre eine urteilende Instanz, die schlechte Taten bestraft und gute Taten belohnt. Dies erinnert an das alte Paradigma des christlichen Gottes, der uns unter Umständen mit immerwährenden Qualen in der Hölle bestraft oder mit ewigem Frieden im Himmel belohnt.

Ursprünglich meint Karma allerdings gar nichts Göttliches oder Urteilendes, sondern lediglich eine Gesetzesmäßigkeit der Natur, des Kosmos oder des Universums, wenn man so will. Der Begriff kommt aus dem Sanskrit (alt-indische Sprache) und bedeutet übersetzt so viel wie ‚Handlung‘ oder ‚Tat‘ und er meint nichts anderes als Ursache & Wirkung. Karma verweist somit auf den Umstand, dass Handlungen, Gedanken und auch Intentionen entsprechende Konsequenzen haben, beziehungsweise, dass dies alles bestimmend dafür ist, wer wir sind beziehungsweise sein werden. Das Sprichwort „Man erntet, was man säht.“ geht genau in dieselbe Richtung.

Richtig & Falsch

Der Buddhismus ist zwar ebenso wie andere Weltreligionen mit sittlichen Verhaltensvorgaben oder Empfehlungen ausgestattet und somit auch mit der Gegenüberstellung von Richtig & Falsch beschäftigt, allerdings besteht im karmischen Prinzip selbst keine derartige Unterteilung oder Wertung. Einfacher gesagt: Karma interessiert sich gar nicht dafür, was gut und was schlecht ist, es wirkt einfach nur der Handlung entsprechend. Somit könnten wir sowohl die personifizierte Vorstellung von Karma, als auch die Dualität von Gut und Böse, Richtig und Falsch beiseitelegen.

Wenn wir diese Dualität aber zunächst beibehalten, kann durchaus gesagt werden, dass es einfach simpler ist, gewisse Taten als Gute oder Böse zu verstehen. Dieser Anspruch ist beispielsweise auch wesentlich in Immanuel Kants Ethik. Für ihn ist etwa Lügen oder Morden grundsätzlich und allgemeingültig nicht geboten, völlig unabhängig von den Umständen und dem Kontext.

Dem kann man zustimmen oder nicht, aber wenn wir über weniger extreme Handlungen als von Mord sprechen, scheint es schwierig zu sein, eine klare Grenze zwischen diesen beiden Gegensätzen zu ziehen. Des Weiteren spielt doch der Kontext, in welchem die jeweilige Handlung stattfindet, eine wesentliche Rolle? Dazu kommt die Frage, aus welcher Perspektive etwas betrachtet und auf welches Resultat hin abgezielt wird.

Umgang

Wenn ich zum Beispiel eine bevorstehende Prüfung absolvieren möchte, wäre es sicher gut zu lernen. Doch ist das Lernen für eine Prüfung grundsätzlich etwas Gutes? Ich würde sagen: Nein, es ist weder richtig noch falsch. Doch trotzdem finde ich mich alltäglich im Kampf dieser Gegensätze wieder, in welchem ich mich selbst be- und verurteile. Da diese ständige Selbstbeurteilung eine ziemliche Last sein kann, ist es dann doch gemütlicher, wenn die Rolle des Richters / der Richterin (oder vielleicht sogar des Henkers / der Henkerin) aufgegeben wird, sie in allgemeingültige Regeln aufgelöst oder auch bei einer Autorität wie Eltern, Lehrpersonen oder Gott abgegeben wird.

In diesem Fall scheint dies allerdings eine bloße Bequemlichkeit zu sein, bei der wir gekonnt das als Last verstandene Schuld- und Verantwortungsbewusstsein von uns abschütteln. Jene Last rührt aber lediglich von diesem Wahnsinn zwischen Gut & Böse und der Verstrickung darin, sprich wenn wir uns ständig darüber sorgen, Gutes zu bewirken und Angst davor haben, etwas Schlechtes zu verursachen. Dieser Anspruch ist paradox, wenn wir doch in den meisten alltäglichen Situationen zwischen diesen beiden Polen gar nicht so genau differenzieren können, doch sind wir stets bestrebt „das Richtige“ und nicht „das Falsche“ zu tun.

Resümee

Genau deshalb ist mir Karma so sympathisch und die beschriebene verfehlte Interpretation so zuwider. Ich muss weder Beurteilungsfreiheit sowie Verantwortungsbewusstsein abgeben noch mich von diesem konsequenten Zwiespalt zwischen richtig und falsch in den Wahnsinn treiben lassen. Karma zeigt für mich eine Art neutralen und sanften Mittelweg, der mich zärtlich darauf hinweist, dass es sinnvoll wäre, mir sowohl den Gedanken und Gefühlen, die ich kultiviere, als auch den Worten und Handlungen, die ich tätige, bewusst zu sein, da sie ausmachen wer ich bin und die Zukunft formen.

(Wenn du allerdings das Denkmuster von richtig & falsch auf etwas anwenden möchtest, oder dich bei etwas Bestimmtem an die Beurteilung einer Autorität halten möchtest, ist dies deswegen natürlich auch nichts grundsätzlich Schlechtes!)

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