Folge
Newsletter
Anmelden

Film Rezension: „Barbie“ von Greta Gerwig

© Warner Bros.

„Hast du den Barbie-Film gesehen?“ ist der neue Konversationsträger, wenn zwischen Lernsessions in der Bib, beim Wandern auf´m Berg oder über den Hafermilch-Kaffee gebeugt Redepausen entstehen. Natürlich habe ich den Film gesehen.

In Gerwigs Film wird zunächst die Fantasiewelt eines Kindes für erwachsene Augen dargestellt kreiert in diesem gegensätzlichen Spannungsfeld ulkige Momente; Barbieland kennt keine physikalischen Gesetze – natürlich nicht, warum auch, wenn das kindliche Spielen sich nicht an derartige Regeln halten muss? Gerade diese Darstellung verleiht dem Film einen angenehmen Charme, der nostalgische Gefühle aus dem Innersten herauskramt. Dabei nimmt der Film sich selbst nicht zu ernst – die Barriere zwischen Erzählerstimme und Charakteren wird aufgehoben, wenn die Charaktere sich selbst reflektieren. Die Stimmung ist angehoben, die Gemüter leicht, die Witze liebevoll zubereitet.

© Warner Bros.

Und dann kommt Barbie in die Real World.

Ein vorerstes Lächeln mit dem unterschwelligen Gefühl leichten Unbehagens – das beschreibt die Beschaffenheit der Real World wohl am ehesten. Die Witze sind nach wie vor ulkig, und während man noch damit beschäftigt ist, darüber zu lachen, schiebt Gerwig einen sozial- und genderkritischen Moment hinterher, teils versteckt als Barbies unsichere Frage: „Why is everybody looking at me?“. Oder aber auch offensichtlich zuwider wie der Witz der Polizisten bei Barbies und Kens zweiter Verhaftung: „I like her even better with more clothes on. Gives me more to fantasize about.“

© Warner Bros.

Die Momente sind teils so subtil und unterschwellig, dass sie unter dem Gelächter des Kinosaals untergehen. Was zurückbleibt ist Unbehagen, wenn die Realität des „Witzes“ nachklingt und nach dem Lachen einen unangenehmen Geschmack im Mund hinterlässt. Dann Stirnrunzeln. Und die stille Frage: Kann und soll ich bei so etwas eigentlich lachen?

So schnell die Momente gekommen sind, sind sie auch wieder vorbei, werden abgelöst von einem weiteren, überdreht-witzigen, humorvollen Moment. Kritik und Humor, Aufregung und Ruhe rotieren immer schneller, drehen sich in einem immer rasanter werdenden, blendenden Karussell aus Pink.

© Warner Bros.

Das Karussell kommt letztendlich schlagartig zum Stehen und offenbart eine tränengerührte Barbie, die nach den emanzipierenden Ereignissen ihre eigene Existenz hinterfragt und in einem rührenden Dialog mit ihrer Gründerin eine Entscheidung trifft: Barbieland zu verlassen und als Mensch in der Real World zu leben.

Gerwigs Art, unerfreuliche Realität hinter ehrliches Lachen zu verstecken, macht es möglich, einschlägige, kritische Darstellungen der Geschlechterrollen der heutigen Zeit in ein farbvolles, herzliches Setting zu verpacken und somit das Gedankenkarussell der Zuschauer*innen auf lange Sicht kreisen zu lassen.

Meine einzige Kritik an dem Film – der Gynäkolog*innenwitz.

Total
0
Shares
Vorheriger Artikel

El Hierro – eine wahrlich unvergessliche Reise

Nächster Artikel

Margherita und Maradona

Verwandte Artikel