Folge
Newsletter
Anmelden

Art x Science

Die Verbindung von wissenschaftlichen und künstlerischen Ansätzen

Besonders in den letzten fünfzehn Jahren entstanden vermehrt Institutionen, Kollektive und Gruppen, die zeigen, dass sich Wissenschaft und Kunst nicht zwanghaft ausschließen, sondern ihre Kombination im Gegenteil sehr bereichernde Erfahrungen darstellen kann.

Während Kunst spätestens seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert politisch war, herrschte stets eine klare Trennung zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Praxis. Doch seit etwa fünfzehn bis zwanzig Jahren werden beide Felder vermehrt verbunden und die entstandenen Ergebnisse wissenschaftlich reflektiert. Eine theoretische wissenschaftliche Grundlage für die Verbindung von Wissenschaft und Kunst bietet Lauren Fourniers Autotheory as feminist practice in art, writing, and criticism. Der Begriff Autotheory meint im engeren Sinne ein Zusammenfallen von Autobiografie/Memoiren und Sozialkritik, im weiteren Sinne einen reflexiven Umgang mit eigener Kunstproduktion und dem Arbeiten an der Schwelle zwischen Kunst und Wissenschaft. Die eigene künstlerische Tätigkeit sowie Position und Identität in der Gesellschaft, insbesondere weiblicher und queerer Künstler*innen wird kritisch hinterfragt, theoretisch erklärt und philosophisch diskutiert.

Forensic Architecture: zwischen Wissenschaft, Kunst und Politik

Ein Beispiel für eine wissenschaftliche Institution, die die Grenzen zur Kunst prinzipiell überschreitet und damit Ansätze beider Felder verbindet, ist die seit 2010 am Goldsmiths‘ College bestehende britische Forschungsgruppe Forensic Architecture. Das interdisziplinäre Team untersucht auf Anfrage von zivilen Gruppen Menschenrechtsverletzungen, meist über digitale Modellbildung. Dabei werden von den Mitgliedern, die von Journalisten über Softwareentwicklern bis hin zu Filmemachern und Künstlern aus verschiedensten Hintergründen kommen, jeweils die Methoden aus ihren eigenen Disziplinen angewandt. Dies führt beim Abschluss der Untersuchungen zu einer Vielfalt an Perspektiven und Daten. Diese Ergebnisse werden dann künstlerisch dargestellt und schwanken so zwischen rechtlich wirksamen Beweisen und Schlussfolgerungen und künstlerischen Ausstellungen eines künstlerischen Prozesses. 2011 erhielt die Gruppe für vier Jahre eine Förderung vom Europäischen Forschungsrat.

Das wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenzial der Kunst: das Studium Transformation Studies. Art x Science

In Österreich soll im Wintersemester 2023/24 das von der Universität für Angewandte Kunst Wien und der Johannes-Kepler-Universität Linz gemeinsam organisierte Studium Transformation Studies. Art x Science starten, das ebenfalls kunstschaffende mit wissenschaftlichen Praktiken verbinden will. Zwar ist noch kein Curriculum veröffentlicht, laut Homepage soll sich der Studiengang aber unter anderem mit Künstlicher Intelligenz, Medientheorie und „künstlerischen und kreativen Strategien“ beschäftigen. Wichtig scheint vor allem die Anwendung künstlerischer und kreativer „transformativer“ Lösungsansätze auf technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme und stellt damit das wirtschaftliche Potenzial künstlerischer Denkweisen in den Vordergrund.

Künstlerische Projekte mit wissenschaftlicher Recherche: das Fellowship-Programm des Schloss Büchsenhausen

In Innsbruck fördert das vom Verein Tiroler Künstler:innenschaft geführte Schloss Büchsenhausen im Rahmen seines Fellowship-Programms jährlich vier Künstler*innen. Ihnen wird ein Platz geboten, im Schloss an ihren eigenen Projekten zu arbeiten. Dabei wird spezifisch nach Künstler*innen gesucht, die investigativ-spekulative Ansätze in ihren Arbeiten anwenden. Die entstehenden Arbeiten untersuchen und erschließen ein bestimmtes Thema durch meist mit wissenschaftlicher Sorgfalt durchgeführte Recherchearbeit. Die Ergebnisse werden künstlerisch zugespitzt dargestellt.

Kunst und Wissenschaft sind zwei Bereiche, deren Trennung nicht mehr sinnvoll scheint. Auf der Ebene der Wissenschaft entstehen durch künstlerische und kreative Ansätze neue Herangehensweisen, wie etwa bei den Arbeiten von Forensic Architecture. Auf der künstlerischen Seite ergeben sich durch eingehende wissenschaftliche Beschäftigung der Künstler*innen mit einem Thema neue Möglichkeiten, dieses Thema künstlerisch zu verarbeiten. Und sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Kontext ist Kreativität eine selten genutzte Fähigkeit, die neue Lösungen für bestehende Probleme aufzeigen kann. Dass die Wissenschaft die Kunst untersuchen darf, es aber sonst keine Beziehung zwischen den beiden gibt, ist nicht mehr zeitgemäß. Eine Öffnung der beiden zueinander, wie sie immer mehr praktiziert wird, führt zweifellos zu einem beidseitigen Gewinn.

Links

Website von Forensic Architecture

https://forensic-architecture.org/

Website des Studiengangs Transformation Studies: Art x Science.

https://www.jku.at/art-science-transformation/#

Website des Schloss Büchsenhausen

https://www.buchsenhausen.at/

Bild: Philipp Trubchenko, Unsplash

Total
0
Shares
Vorheriger Artikel

Ich weiß was du auch weißt.

Nächster Artikel

Internationales Filmfestival Innsbruck: Anhell69

Verwandte Artikel