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Phenix im Interview: über Zuhause und Selbstbewusstsein

Phenix ist Model, Aktivistin, Künstlerin und sie hat ein Buch über trans Sein und ihr Leben geschrieben: „Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau.“ Das Buch ist dieses Jahr im Innsbrucker Haymon-Verlag erschienen. Wir haben Phenix zu einem Gespräch über den Dächern Innsbrucks getroffen.

Die Zeitlos: Was bedeutet der Name Phenix für dich?
Phenix:
Retrospektiv habe ich mich erst mit der Bedeutung des Phönix beschäftigt und da erst gemerkt, wie gut das eigentlich passt in einer Transition. Der Name ist mehr zu mir gekommen als ich zu dem Namen. Ich habe es auch im Buch geschrieben: Ich war am Kotti in Berlin in einem Kebap-Shop und der Verkäufer hat einfach einen random Namen drauf geschrieben. Ich glaube es war ihm auch ein bisschen egal – auf sympathische Art und Weise. Und auf meinem stand dann vor ein paar Jahren „Phenix“ und das hatte ich seitdem im Hinterkopf.

Warst du zu dem Zeitpunkt gerade auf Namenssuche?
Ne, noch nicht. In dem Moment habe ich gespürt: Oh finde ich richtig toll. Aber ich hatte viel zu viel Angst. Vor Ablehnung, was ich eigentlich will und wer ich eigentlich bin. Da war ich noch eine viel zu unsichere Version von mir.

Würdest du gerne nur Phenix genannt werden?
Ich versuche auf lange Sicht eher, meinen Nachnamen abzulegen.

Denken Leute, dass Phenix eine Art Künstler*innen-Name ist?
Ja, aufgrund dessen, dass ich auch mal Drag gemacht habe und mich da auch Phenix genannt habe, passiert das und natürlich finde ich das dann auch nicht schön, aber dann soll das halt jemand denken.

Du kommst aus Lübeck und lebst in Berlin. Wo ist zuhause für dich?
Bis vor ein paar Monaten hätte ich ganz klar Berlin gesagt. Berlin war für mich immer ein krasser safe space und ich dachte auch immer, dass ich das voll brauche. Inzwischen ist es für mich auch in anderen Städten entspannter. Das hat leider sehr viel mit der Wahrnehmung der Gesellschaft von mir als Person zu tun. Deshalb bin ich jetzt nicht mehr ganz so gebunden an den pseudo safe space Berlin, sondern fühle mich auch in einer kleineren Stadt wie Innsbruck plötzlich sehr wohl. Vor ein paar Jahren, als ich sehr aus dem Raster der Gesellschaft gefallen bin, hat das immer krassen Stress bedeutet.

In deinem Buch geht es an einigen Stellen um das Belächelt werden. Wann taucht dieses Gefühl in deinem Leben auf und was macht es so unerträglich?
Das ist ständig und immer und ändert sich auch je nachdem, ob ich mich gut oder schlecht fühle. Zum Beispiel von gestern auf heute – heute fühle ich mich viel besser, gestern hatte ich einen nicht so guten Tag. Ich stand zum Beispiel gerade vorm Hotel und habe eine Sprachnachricht aufgenommen. Da sind so zwei Typen an mir vorbei gegangen. Der eine hat im Vorbeigehen offensichtlich zum anderen etwas über mich gesagt, dann haben sich beide nochmal umgeguckt.  Und dann habe ich ihnen nochmal so (zwinkert) hinterher gewunken, weil ich mir dachte „Lol, dann guckt doch, sprecht mich an oder was auch immer. Ist mir auch egal.“ Wenn die gleiche Situation gestern passiert wäre: Gestern hätte sich nur eine Person geräuspert und ich hätte gedacht: „Was ist gerade?“ Es ist also sehr tagesformabhängig. Aber ich merke: Grundsätzlich zeigt die Kurve nach oben.

Glaubst du, dass es an deiner Umgebung liegt, dass du von außen weniger belächelt wirst oder dass du es weniger in dir aufnimmst und dem weniger Raum gibst?
Beides gleichzeitig. Dass ich Verhalten von anderen Leuten per se nicht mehr als herabwürdigend interpretiere und das nur noch an schlechten Tagen tue. Ich glaube ich kann mittlerweile viel weniger auffallen, wenn ich das möchte. Und das war für mich jahrelang – gefühlt und faktisch – gar nicht möglich. Weil ich immer viel zu doll aus dem Raster gefallen bin.

Wie gehst du an Tagen wie gestern damit um, wenn du bei einer Lesung „funktionieren musst“? Hast du da Skills?
Ich bin schon eine Person mit einem krassen Willen. Wenn dann sowas ist wie eine Lesung, macht mir das so viel Spaß, dass dann auch mein „Ich“ rauskommt, das das genießt.

In deinem Buch schreibst du über die Zeit, in der du viel ausgegangen bist. Findest du, dass das Ausgehen ein safe space ist – z.B. für queere Personen? Oder entstehen da neue Machtdimensionen?
Das kommt extrem darauf an, wo man hingeht. Wenn ich heute ausgehe (was wesentlich seltener passiert als früher), gehe ich viel mehr in safe space Räumen feiern, weil es nur dann für mich Spaß macht. Dann ist nicht alles so cis-hetero, sondern einfach queer und da fühle ich mich sicherer. Ich glaube früher habe ich da nicht so reflektiert.

Wenn du einen Wunsch frei hättest, was wäre das?
100 Prozent mit mir selbst im Reinen zu sein.

Meinst du das geht?
Ich weiß es nicht, deswegen wünsch ichs mir (lacht). Ich frage mich oft, wann liebt man sich selbst? Weil es kann ja keiner rein gucken. Ich glaube man weiß es einfach irgendwann.

Für wen und wofür hast du das Buch geschrieben?
Ich habe es zum einen mit der Intention geschrieben, dass Menschen, die behaupten dass sie Lebensrealitäten wie die meine nicht in ihrem Umfeld haben, diese trotzdem in gewisser Art in ihrem Umfeld haben können – Indem sie meine Geschichte lesen. Ich finde es wahnsinnig wichtig, dass Menschen Lebensrealitäten kennen lernen und sich damit beschäftigen, wie es anderen Menschen ergeht. Zum anderen habe ich selbst gemerkt, wie gut es mir getan hat, mich mit anderen trans Personen zu unterhalten und unsere Geschichten auszutauschen. Ich habe mich oft sehr alleine gefühlt mit meinen Gefühlen. Und dann habe ich gemerkt: Oh krass, es gibt andere Leute, denen geht es auch so. Das hat mir sehr geholfen. Deshalb hoffe ich, dass ich für irgendeine Peron auch so eine Freundin in Buchform sein kann.

Hat es dir Spaß gemacht das Buch zu schreiben und kommt noch ein weiteres Buch?
Ja, aber ich glaube mein nächstes Buch wäre eher roman-artiger.  Ich halte die sachbuchartigen Kapitel meines Buches für wahnsinnig wichtig. Die letzten Seiten habe ich zum Beispiel geschrieben, da hatte ich gerade einen sehr traurigen Roman gelesen, weil ich probiert habe, keine Sachbücher und keine thematisch zu ähnlichen Bücher zu lesen. Und dann merk ich von meinem eigenen Text richtig, wann ich diesen traurigen Roman gelesen habe und dann dachte ich teilweise „Ich will auch so einen traurigen Roman schreiben.“ Deshalb wird es wohl eher in so eine Richtung gehen. Es wäre dann ein Roman, es würde um Liebe gehen, es wäre trotzdem queer und viel Repräsentation und hätte auf jeden Fall auch einen autobiographischen Einfluss. Ich glaube ich würde mir nicht zu 100 Prozent etwas ausdenken, aber die Person wäre dann auch nicht zu 100 Prozent Ich und vielleicht würde die Person anders heißen. Das würde mir noch mehr Freiheit bieten.

Welche Person durftest du durch deinen Job als Model und Influencerin kennen lernen, von der du es im Traum nicht gedacht hättest, sie kennen zu lernen?
Ich würde da schon einen Unterschied machen zwischen persönlich und nur aus dem Internet. Persönlich durfte ich Anke Engelke und Enissa Amani kennen lernen. Sie sind eine ähnliche Schiene aus extrem witzig, dabei sehr eloquent und auf unterschiedliche Art und Weise inspirierend.

Und wen würdest du gerne treffen?
Ich glaube die Liste ist gar nicht mehr so lang. Vielleicht Conchita Wurst, Tom Neuwirth. Wir kennen uns nur über Social Media.

Was wolltest du früher gerne werden und was würdest du aus heutiger Sicht noch gerne werden?
Einer meiner ersten Wünsche war die Schauspielerei und tatsächlich ist das für mich immer noch ein wichtiger Faktor für nächste Karriereschritte.

Wie läuft es denn mit der Schauspielerei?
Gut, ich kann mich nicht beschweren (lacht).

Was würdest du Menschen sagen, die fordern, dass wir überhaupt nicht in Geschlechterrollen denken und handeln sollten, sondern dass wir uns alle nur noch als Menschen sehen?
Was ich denen sage? – o.k.
Das finde ich jetzt per se nicht verwerflich. Ich für mich habe das Gefühl, dass wir da teilweise schon zu tief drinstecken. Nach dem Motto: Kriegen wir jetzt eh nicht mehr hin. Deswegen ist für mich der nächste wichtige Schritt, den wir hoffentlich irgendwann gehen werden, nicht die Geschlechterrollen komplett abzuschaffen. Sondern dass Menschen, die diesen Rollen und Normen nicht entsprechen, genauso akzeptiert und respektiert werden, wie die, die es tun. Und ich glaube dann sind wir schon einen ganz großen Schritt weiter.
Wir leben immer noch in einer Gesellschaft, die seit Jahrhunderten von Diskriminierung und diesen Strukturen geprägt ist, die wir nicht einfach so von heute auf morgen vergessen können. Da ist eben noch Arbeit zu tun.

Wenn die Polizei deine Freund*innen anrufen würde, dass du verhaftet worden wärst, was würden sie denken, was du gemacht hast?
Ich glaube, wir leben nach wie vor in einer so traurigen Welt, dass meine Freund*innen eher davon ausgehen würden, dass mir etwas passiert ist. Die erste Assoziation wäre „Scheiße, wir müssen sie da raus holen, da ist irgendwas passiert.“

Mit welchen drei Worten würdest du dich als Person beschreiben?
Selbstbewusst, witzig, cool. Man merkt, ich habe heute einen guten Tag (lacht).

Was wären sie gewesen, wenn du keinen guten Tag gehabt hättest?
Vielleicht die gleichen.

Fotos: Lina Tesch

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