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Sind Populisten eine Gefahr für Demokratien?

„Wo Populismus wächst, liegen Ängste zugrunde, auf die Politik wohl noch keine ausreichende Antwort gefunden hat.“

Frank-Walter Steinmeier

Populismus: Ein Phänomen unserer Zeit und gleichzeitig ein schwammiger Begriff. Ist Populismus ein Politikstil? Eine Kausalthese und ein Erklärungsansatz für gesellschaftliche Entwicklungen? Eine Ideologie oder sogar eine Art Kampfbegriff? Und kann Populismus zur Gefahr für Demokratien werden? Das Thema Populismus ist nach der Frankreichwahl und dem Aufstieg von populistischen Kräften in Ungarn, Polen und vielen anderen Demokratien aktueller denn je. Dennoch bleiben unzählige Fragen ungeklärt. Im Rahmen einer Filmvorstellung mit einer anschließenden Podiumsdiskussion Anfang Juli in den Räumlichkeiten der Universität soll sich das ändern.

Chez nous” –Das ist unser Land!

Der Film beginnt und endet mit einer Szene, die nachdenklich stimmt: Zwei Straßen, die nebeneinander her verlaufen. Eine Autobahn, auf der die Autos schnell vorüberziehen. Daneben eine Landstraße, auf der man nur gemächlich voran kommt. Ein Sinnbild für die abgehängten Regionen in Frankreich? Regionen, in denen Politikverdrossenheit, Ressentiment, Wut und Frust das politische Klima bestimmen?

Pauline, gespielt von der Schauspielerin Émilie Dequenne, ist Krankenpflegerin und kümmert sich nicht nur um ihre zwei Kinder und ihren Vater, sondern auch um ihre Patient*innen mit großer Hingabe, von denen sie dafür geliebt wird. Gerade diese Beliebtheit macht sie zur perfekten Kandidatin für die Bürgerschaftswahl einer neuen aufstrebende nationalistischen Partei. Einer Partei, die von sich behauptet, weder links noch rechts zu sein, sondern nur für das Volk. Getrieben von der Hoffnung wirklich etwas verändern zu können, willigt Pauline ein und nimmt das Angebot zu kandidieren an. Doch schon bald muss sie feststellen, dass nicht nur die neuen blondgefärbten Haare Teil einer großen Lüge sind. Pauline ist zu einer Marionette einer populistischen Partei geworden, und wird als Aushängeschild von der skrupellosen Parteichefin Agnès Dorgelle für die eigene Parteiwerbung missbraucht…

Charismatische Marionetten und „Jedermann“-Figuren

„Populismus und konventionelle Spielfilme haben mehr gemeinsam als man denkt“, so Expertin und Professorin Anna Schober-de Graaf von der Universität Klagenfurt vom Institut für Kulturanalyse. “Genau wie Spielfilme von Schauspieler*innen getragen werden, kommt auch Populismus nicht ohne charismatische Führerfiguren aus.“ Die Kulturwissenschaftlerin arbeitet derzeit an der Ikonografie des „Jedermann“. Das seien Figuren, mit denen sich die Menschen und die Wählerschaft besonders gut identifizieren könnten. „Sebastian Kurz war auch so eine Figur des Jedermann, eine Pauline“, sagt sie. Auch Experte und Doktorand Gregor Handrich vom Institut für Politikwissenschaft stimmt zu. Ein anderes Beispiel seien Politiker von der FPÖ, wie Strache, die auf einmal anfingen, den obersten Hemdknopf offen zu tragen, um lockerer und nahbarer zu wirken.

Populismus als Politikstil

Der Begriff Populismus könne dementsprechend durchaus verwendet werden, um einen Politik- und Kommunikationsstil zu beschreiben, den sich mittlerweile nicht nur als populistisch „abgestempelte“ Parteien zu eigen machen. Einfache Slogans, einfache Parolen und einfache Antworten für eigentlich viel komplexere Probleme: Populistische Kommunikation sei heutzutage überall zu finden, so Handrich. Bedeutet das, dass populistische Strategien dann in Zukunft die Politik und politische Kommunikation in westlichen Demokratien bestimmen? Gerade mit der Verlagerung des politischen Diskurses auf soziale Medien und Netzwerke sei dies sehr wahrscheinlich, so Schober.

Populismus als Gefahr für Demokratien?

Doch kann Populismus gefährlich werden und wenn, ja wann? „Ich finde, dass Populismus an sich per se nichts Schlechtes ist“, so Schober. Populismus berge auch das Potential die politische Debatte zu revitalisieren. Dennoch geben beide Expert*innen zu bedenken, dass Populismus verbunden mit rechten, exklusiven oder extremistischen Ideologien durchaus gefährlich werden kann. „Rechtspopulismus kann zunächst vor allem eine Gefahr für den Liberalismus werden“, so Schober. „Doch wenn in liberalen Demokratien, der liberale Teil gestört ist, hat das unweigerlich Auswirkungen auf die Demokratie selbst.“

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