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Wetterfühligkeit – alles Einbildung?

Besonders ältere Menschen „fühlen“ oft den herannahenden Wetterumschwung. Das Phänomen der Wetterfühligkeit ist schwer zu erforschen oder mittels Studien zu belegen. Dennoch gibt es Ansätze und Belege, dass das Wetter tatsächlich unser Wohlbefinden beeinflusst.

Im März die leichte Übergangsjacke anstelle des Mantels angezogen, weil die Sonne so schön scheint. Zack, erkältet. Im Sommer nur schnell eine Tasse Kaffee auf dem Balkon. Und schon ziert ein Sonnenbrand die Nase. Das Wetter hat unbestreitbar einen Einfluss auf unseren Körper und unsere Gesundheit. Doch neben der Temperatur und Strahlung können auch weniger offensichtliche Elemente wie der Luftdruck einigen Menschen zum Verhängnis werden.

Ein eigenes Fachgebiet

Diese Wechselwirkungen zwischen Mensch und Wetter erforscht die Human-Biometeorologie oder auch Medizin-Meteorologie. Sie unterscheidet dabei zwischen Wetterfühligkeit und Wetterempfindlichkeit. Letztere lässt sich wissenschaftlich belegen, da sich bereits vorhandene Beschwerden wie Rheuma bei wechselndem Wetter deutlich verschlimmern. Das Phänomen der Wetterfühligkeit lässt sich dagegen nicht leicht belegen. Wetterfühlige Menschen berichten, dass sie aufgrund des sich verändernden Wetters gesundheitlich beeinträchtigt sind. Hier lassen sich jedoch fast nur die Aussagen von Betroffenen sammeln. Vorwiegend Personen mit Stress, Schlafmangel und chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen zählen zu den Betroffenen. Dabei ist jedoch auch Vorsicht geboten, denn Wetter allein macht nie krank! Vielmehr ist es ein Zusammenspiel verschiedenster Faktoren im Körper.

Was ist “das Wetter” überhaupt?

„Hat man sich nichts zu erzählen, spricht man übers Wetter.“, hat mein Opa einmal gesagt. Doch so banal wie er annahm, ist es nicht. Denn Wetter ist ein hochkomplexes, dynamisches System der Atmosphäre zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. Jede*r  kann es wahrnehmen, wie zum Beispiel die Sonnenstrahlen oder den Wind auf der Haut. Verschiedene, sogenannte Klimaelemente wie atmosphärischer Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchte, Wind, Strahlungsfeld der Sonne oder der Bewölkungsgrad beeinflussen das Wetter und verändern es ständig.

Im Gegensatz zum Wetter ist das Klima in der Wissenschaft langfristiger, nämlich in Jahrzehnten bis hin zu ganzen Erdzeitaltern, angelegt. Somit kann man Klima eigentlich gar nicht unmittelbar wahrnehmen, sondern seine Veränderungen nur über einen gewissen Zeitraum hinweg.

Wetterfühligkeit – für viele ein Problem

Ziehen beispielsweise Kalt- oder Warmfronten mit hoher Geschwindigkeit durch ein Gebiet oder erleben wir einen raschen Übergang von einem Hoch- zu einem Tiefdruckgebiet, so ändern sich viele dieser Klimaelemente auf einmal. Der Organismus muss darauf reagieren. Je stärker die Veränderungen, desto anstrengender für den Körper. Was für die meisten Menschen kein Problem darstellt, kann besonders für Ältere oder Vorerkrankte stressig sein. Hier ein Beispiel: Es ist Ende April, 25°C warm und es herrscht ein Hochdruckgebiet. Übernacht kühlt es auf 10°C stark ab und wird die nächsten Tage regnerisch. Dabei handelt es sich um den klassischen Übergang von einem Hoch- zu einem Tiefdruckgebiet. Da der Körper nun seine Temperatur schnell regulieren muss, verändert er seine Blutgefäße: Um weniger Wärme zu verlieren, verengen sie sich. Dadurch steigt der Blutdruck an.

Das sagt die Wissenschaft

Schnell ansteigender Blutdruck kann wiederum Herzrasen, Kreislaufproblemen, Kopfschmerzen oder Müdigkeit verursachen. Diese gehören laut einer Studie von Höppe et al. (2002) auch mit zu den häufigsten Symptomen, die wetterfühlige Menschen angeben: 61% leiden unter Kopfschmerzen und Migräne, 42% klagen über Müdigkeit. Besonders bei der Altersgruppe über 60 Jahren ist die Prävalenz, das heißt der Anteil der erkrankten Personen an der Gesamtpopulation mit 68% der Befragten sehr hoch. Allerdings weisen Höppe et al. auch darauf hin, dass viele, vermeintlich wissenschaftliche Artikel zum Thema im deutschsprachigen Raum, aus nicht-begutachteten Zeitschriften und Gesundheitsratgebern stammen.

Aubinière-Robb et al. (2013) haben dagegen Blutdruckveränderungen abhängig vom Wetter tatsächlich nachweisen können: Sie haben die Daten von über 16.000 schottischen Blutdruckpatient*innen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgewertet und mit dem Wetter verglichen. Ergebnis: Bei gleicher und/oder ähnlicher Wetterlage ist der Blutdruck im Schnitt um zwei  Prozent gesunken. Bei extremen Wetterunterschieden zwischen den zwei Untersuchungen ist er nicht gesunken oder sogar angestiegen. Zudem fanden die Forschenden heraus, dass wetterempfindliche Menschen eine signifikant höhere Mortalität, also Sterblichkeit, aufweisen als wetterunempfindliche Menschen.

61% Kopfschmerzen
47% Abgeschlagenheit
46% Schlafstörungen
42% Müdigkeit
40% Gelenkschmerzen
31% Gereiztheit
26% Schwindel
23% Narbenschmerzen
Häufigste Symptome wetterfühliger Menschen

Doch alles nur Einbildung?

Dennoch lassen sich in den allermeisten Studien nur Korrelationen zwischen Wetter und Gesundheit aufzeigen, jedoch keine kausalen Zusammenhänge. Problematisch ist in der Forschung, dass es sich sowohl beim Wetter, als auch beim Menschen um zwei sehr komplexe Systeme handelt und andere Ursachen für Beschwerden nie gänzlich ausgeschlossen werden können. Letztendlich hängt zu viel von der Anpassungsfähigkeit des Körpers ab. Diskutiert wird auch das Phänomen der self-fulfilling prophecy, nach der es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen kann, wenn man im Vorhinein bereits von Wetteränderungen hört und sie somit erwartet.

Leidet man selbst oder ein*e Bekannte*r unter Wetterumschwüngen, so hilft vor allem viel Bewegung an der frischen Luft und das bei jedem Wetter. So kann die Anpassungsfähigkeit des Organismus trainiert werden. Auch Ausdauersport und Saunieren können helfen. Sind die Beschwerden sehr belastend, so kann ein Arzt oder eine Ärztin auch gegen die Symptome behandeln.

Die Frage nach der Einbildung bleibt bisweilen unbeantwortet. Einiges spricht für das klare Krankheitsbild Wetterfühligkeit, anderes dagegen. Letzten Endes sollten wir dennoch unsere eigenen Beschwerden oder die unserer Mitmenschen ernst nehmen. Denn auch wenn nicht allein das Wetter für dieses Leid verantwortlich gemacht werden kann, können sie dennoch existieren.


Weitere Informationen zum Thema Wetterfühligkeit sowie Hilfestellungen für Betroffene findet man bei der Gesellschaft zur Förderung Medizin-Meteorologischer Forschung e. V.

Bilder: Jasmin Eiglmeier

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