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Vom digitalen Rechteck

Kein Wunder zurzeit wenn wir meinen,
dass alles sich nur um uns dreht
wie ein Hula-Hoop-Reifen.

Kein Wunder zurzeit wenn wir finden,
dass alles sich nur um uns dreht
wie um Kreisverkehr-Inseln.

Kein Wunder zurzeit wenn wir meinen,
dass alles sich nur um uns dreht
wie bei Hubschrauber-Reisen.

Kein Wunder zurzeit wenn wir finden,
dass alles sich nur um uns dreht
wie Saturns schöne Ringe.

Was ist denn das erste das morgens wir sehen?
Den blühenden Tag? – nein!
Was ist dann das erste das morgens wir sehen?
Den spiegelnden Bildschirm des Smartphones viel eher.

Was ist denn das zweite das morgens wir sehen?
Die liebliche Sonne? – nein!
Was ist dann das zweite das morgens wir sehen?
Die dringende Tat jetzt auf WhatsApp zu gehen.

Was ist denn das dritte das morgens wir sehen?
Das schwingende Bein? nein!
Was ist dann das dritte das morgens wir sehen?
Das flimmernde Zahnrad des Heuchlersystems.

Nun gut aber dann, was ist denn das vierte?
Willst du es, mein Lieber, wirklich jetzt wissen?
Ja.
Das vierte und letzte was du morgens siehst,
Dass jeder Tag nach und nach lebloser wird.

Das geht?
Das geht.
Und wie?
Und wie.

Es war einmal vor langer Zeit,
So lange ist es auch nicht dann,
Da sahst du, wo du blicktest, weit und breit
kein einziges verf-lixtes Rechteck in der Hand.

Und wie die Käfer kugeln Menschen durch die Lüfte
Und wie die Fische fließen sie durch’s weite Meer
Und wie die Hasen hoppeln Menschen durch die Büsche
Und wie Ameisen arbeiten sie schwer.

Ganz unterschiedlich sahen Menschen diese Zeit, denn manche rufen
’schlecht’, andere: ‘sehr gut’, manche finden: ‘sorgenvoll’, andere: ‘sorgenfrei’
Doch diese Zeit ist längst verduftet
Wie’n Blumenstrauß nach Trockenheit

Denn längst erblickten uns mobile Endgeräte
Die in den Händen derer leben
Die die Menschheit fortbewegen
Oder zurückbewegen, je nachdem.

Kultivierten wir die Erde, Freundschaften und den Geschmack
Kultivieren wir nun Handys, WhatsApp-Chats und Instagram.

Glücklichsein versprechen Apps.
Süchtig sein ist doch normal.
Alle nutzen Tinder, Snapchat,
’Ja dann ist das ja egal.’

Doch die Gegenseite gibt es auch
Vielen ist’s nicht wohlgesonnen – tausend Dank –
Bleibt es ja wie Aktivismus sehr oft kleben auf der Hand.

Anders jedoch als fürs Klima
bleibt das Handy an der Hand
Schreien kannst du immer wieder
doch es geht einfach nicht ab.

Und willst du heute anständig sein
dann muss du eben ständig an sein
und aus sein
führt in dein Aus rein.

Und so sind wir alle gemeinsam gezwungen
Das Smartphone für immer und ewig zu nutzen.
Vielleicht meinte das Laotse mit den Worten:
Die Menschen müssen dem Ewigen folgen.

Wir schreiben Geschichte, und schreiben sie um
Ich kam, sah und siegte
Nein
Ich kam, sah und likete
Und likete
und likete
und likete
und likete
und bleibte virtuell auf der Erde
und dann starb ich am Ende.

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