I’m no longer human ist die Versprachlichung von Weltschmerz, die so schön und treffend, mitten ins Herz oder in den Magen trifft, dass man das Buch zerreißen will, nur um sich in den Stücken badend, ganz in die Worte legen zu können.Der Lyrikband wurde von Yousif T. Ahmed in englischer Sprache verfasst und noch gleich im selben Werk von Mathias Kropfitsch ins Deutsche übersetzt. Das Buch ist 2021 im Haymon Verlag erschienen.
„Jeden Tag werde ich ein Gedicht lesen“, nehme ich mir vor und lese dann alle in einer Nacht. Aber man unterbricht ja auch nicht einfach ein gutes Gespräch mit jemandem, der einen so unfassbar zu verstehen scheint wie der Autor es in mit diesem Buch zu tun scheint. Man löst sich auch nicht einfach aus einem Gespräch mit jemandem, der*die dich immer wieder anspricht, und dich in die Verantwortung zieht mit dem was er*sie sagt, weil du weißt, dass er*sie Recht hat. Wer wie Yousif T. Ahmed ein wütendes „Fuck you“ in Poesie bauen kann, ist unnachgiebig ehrlich, und wer es liest und auf sich bezieht, muss dadurch gezwungen unnachgiebig ehrlich zu sich selbst sein. Wer die Poesie in einem wütenden, herzzerreißenden „Fuck you“ versteht, hat wohl am eigenen Leib erfahren, dass in Situationen größter Emotionen oft die Worte fehlen.
Yousif T. Ahmed scheint eine Sprache zu verwenden, die deshalb so eindringlich ist, weil sie jener gleicht, die Menschen intentionslos und radikal persönlich in ihren Gedanken sprechen. Jene Worte, die in ihren Köpfen spuken, noch unbearbeitet, unbeschönigt und wütend bevor sie anschließend durch die Synapsen – auf die Zunge in eine Form fließen, die man als gesellschaftstauglich empfindet. Wut wird in I’m no longer human zu Worten, überwindet ihre Unsagbarkeit, nimmt Raum ein. Die Wut füllt den Raum aus, bis ins kleinste Eck und schafft dadurch Platz für all die Nuancen des Gefühls, wenn sie sich explosionsartig immer und immer wieder pointiert und treffend in den Gedichten entlädt.
Mit seiner Lyrik entwaffnet Yousif T. Ahmed einen nonexistenten Gott, kommt mit Geistern seiner Vergangenheit ins Gespräch, und versucht seinen Vater auf all die Fehler hinzuweisen und ihm zugleich zu sagen, dass er ihn trotzdem liebt. Eine unverkennbar menschliche, grundsätzliche, existentielle Angst liegt der offensichtlichen explosiven Wut zu Grunde, die sich in die Loslösung aus dem Menschsein-Wollen entlädt. Denn es ist leichter zu sagen „I am no longer human“, sich allem zu entziehen, sich von allem zu distanzieren, das eigene Wesen bis aufs Letzte zu dekonstruieren, oder mehr eigentlich destruieren, um anschließend von Grund auf all die Fragen neu zu stellen, die die Grenzen des eigenen Seins autonom neu definieren:
Was ist ein Mensch, und vor allem wer ist ein Mensch im Angesicht von Krieg, Verlust, unglaublicher Einsamkeit und Liebe?
Wer ist ein Mensch dann noch, wenn man sich sicher ist, dass es keinen Gott gibt, um sich an einer negativen Definition eines Allmächtigen zusammenkauernd festzuhalten?
Kann ich mich noch Mensch nennen wollen, wenn ich täglich so viel Unmenschliches von Personen ertragen, sehen, hören, muss, die sich als Selbes bezeichnen?
Letztlich zeigt Yousif T. Ahmed in seinen Gedichten durch genau das Stellen all der elementaren Fragen, der scheinbar banalsten und der tiefgründigsten, was es bedeutet Mensch zu sein. Was es ist, das uns alle grundlegend verbindet und gleichzeitig per Definition unumgänglich und indefinit voneinander trennt. Nämlich ein Wesen zu sein, das zur Einsamkeit verdammt, in einer Apostrophe, die Verbindung nach Außen zu finden versucht. Ein Wesen, das leidet und lacht, und liebt und hasst, und „Fick dich“ und „ich liebe dich“ im gleichen Satz sagen, und es meinen kann. Ein Wesen, dass in seinem Leiden und in der Euphorie in Momenten eine wirkliche Idee von Sein erfahren kann und dadurch verdammt diesem nachjagend den endlichen Zeitraum verbringt, den es Leben nennt.
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Titelbild: Claudia Ploner